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US-Fahrzeugkategorien: Station Wagon

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chief tin cloud*RIP*
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US-Fahrzeugkategorien: Station Wagon

Beitrag #1 von chief tin cloud*RIP* » 27.02.2014, 15:00

Dies ist die überarbeitete und erweiterte Fassung eines Beitrages über Station Wagon, den ich für das Forum verfasst habe.

Streng genommen ist das keine Fahrzeugkategorie, eher eine Bauform. Ursprünglich nur als "Woodies", gab es sie schliesslich auf Fahrgestellen jeder Preisklasse - vom Ford T bis zum Pierce Arrow und vom Plymouth bis zum Buick. Eine Reihe Hersteller baute auch Versionen auf Truck-Chassis.

Von den europäischen "Jagdwagen", "Shooting Break" u. ä. entscheiden sich die amerikanischen nur durch ihre Entstehungsgeschichte - und die klingt in den Namen an, unter denen die Fahrzeuge zunächst bekannt waren: Sowohl "Station Wagon" wie "Depot Hack" beziehen sich auf die Eisenbahn. Es handelt sich um jene Bauform, die wir als Fuhrwerke bestens kennen aus zahllosen Western: Eine viereckige Kiste mit mit grossen Rädern, einem Kutschbock und einer grossen, offenen Ladefläche. Damit fuhr der Farmer werktags sein Werkzeug herum und brachte seine Erzeugnisse zum Händler. Oder er holte bestellte Waren ab. Eben von der Station (dem Bahnhof) oder dem Waren-Depot der Bahn. Mit montierten Sitzen gelangte so die Familie zum Einkauf ins Städtchen, zu Besuch bei Nachbarn oder zum sonntäglichen Gottesdienst. Nichts Spektakulärer also; praktisch halt.



Depot Hacks wurden in manchen Gegenden auch Buckboards genannt. Ein typischer Vertreter mit gefedertem Wagenkasten. (Wikipedia)


Im ländlichen Amerika hielten sich diese Fuhrwerke länger, nicht zuletzt wegen der miserablen Strassen. Ebenfalls wird so erklärt, warum der Highwheeler eine kurze Zeit so erfolgreich war: Er machte exakt dasselbe, nur mit Motor statt Pferd(en).



1908 McIntyre Highwheeler. Der Hersteller ist ein Vorläufer der Auburn Motor Co. [I](EAA)[/I]

Mit dem Ford T änderte sich das. Er war günstig, unverwüstlich, praktisch und hatte eine überbreite Spur, mit der er in den Spurrillen fahren konnte welche die Fuhrwerke zuvor in die unbefestigten Strassen gegraben hatten. Mit den schicken Roadstern und Tourings konnten die Farmer und Rancher allerdings weniger anfangen. Schon früh wurde daher das Heck des ersteren durch eine Pritsche ersetzt und als Roadster Pickup verkauft - übrigens bis Anfang der 1930er Jahre!





Noch sehr nah an den ersten Depot Hacks vor dem 1. Weltkrieg: Ford T Station Wagon von Hercules (1920); S.S. Albright Station Wagon auf unbekanntem Fahrgestell (1923); Ford Model T Station Wagon von York (1926) und Ford T Depot Hack von Syverson (1925) (Ar-Chief)



Frühe motorisierte Station Wagon hatten eine Aussenhülle aus Holz, zusammengehalten von einem Rahmen. Dazu kam ein festes Dach und eine Heckklappe (später meist eine Tür). Seiten- oder Heckscheiben ab es erst ab Anfang 30er-Jahre, davor boten Planen, die seitlich am Dach aufgerollt waren, einen mimimalen Wetterschutz. Das waren echte MPVS - Multi Purpose Vehicles - die oft auf ein Truck-Fahrgestell gesetzt wurden. Ford zB hat auch seine aus PKW abgeleiteten Station Wagon bis mindestens 1934 im Nutzfahrzeugkatalog aufgeführt.




1940 Pontiac Series HA Special Six Model 25 Station Wagon. Den Kontrakt für Pontiac-Wagons aus dem Werkskatalog hatte seit 1937 Cantrell in Huntington; es ist anzunehmen, dass auch dies ein solcher Aufbau ist. (Ar-chief)


Edelkombis kamen etwa zur gleichen Zeit auf. Grosse Hersteller wie H.H. Babcock, Cantrell (1915-58) oder Hercules kamen auf die Idee, besonders luxuriöse Varianten zu bauen mit edleren Hölzern und Ausstattungen - und mit Kurbelfenstern. Verwendet wurden praktisch alle PKW-Fahrgestelle (ein Duesenberg ist mir allerdings noch nicht untergekommen, wohl aber ein Pierce-Arrow Cantrell Station).




1946 Ford V8 Super Deluxe Station Wago Chassis #99A715585 (conceptcarz)

Zur Kundschaft gehörten Landhotels und reiche Leute, die sich einen abgelegenen Zweitwohnsitz ("Estate") leisten konnten. Sie reisten idR komfortabel mit der Bahn an und wollten vor Ort ein passendes Auto zur Verfügung haben. So kamen die gehobenen Buick Station Wagon zur Bezeichnung „Estate“ – die im übrigen in GB heute noch Sammelbegriff für Kombis ist.



1949 Packard Eight Station Sedan: Die Leisten sind aus Holz und strukturell tragend, die Paneele aus Blech mit Folie. (Ar-chief)


Holz wurde verwendet weil das eben schon immer so war. Ausserdem rechtfertigten die geringen Stückzahlen kein eigenes Tooling (auch ein gewöhnliches "Arbeitspferd" kostete ein Schweinegeld während zB Pickups relativ billig waren). Ausserdem gelang es erst ab Mitte der Dreissigerjahre, eine Pressform für das Dach eines Sedan zu konstruieren (zB Pionier GM ab 1934). Station-Dächer sind noch länger...

Doch das echte Holz hatte erhebliche Nachteile. Zwar waren seriös konstruierte "Woodies" überaus langlebig doch erforderten sie viel Pflege. Im Herbst wurde idR das ganze Holz geschliffen und neu mit Firnis bestrichen.

Der erste Ganzmetall-Station Wagon erschien 1949 von Plymouth: Der zweitürige P-17 Suburban mit horizontal geteilter Heckklappe. Allerdings vertraute man der Idee nicht vollständig und bot in der Special de Luxe (P-18-) Baureihe einen konventionellen "Woodie"-Viertürer an.




1949 Plymouth Deluxe Series P-17 Suburban: Er gilt als der erste Ganzstahl-Kombi. Die Blechteile dazu lieferte die U.S. Steel & Forging Co. (bringatrailer.com)



Allerdings übersieht man gerne den 1949 Crosley Station Wagon Series CD. Das Holz ist optional und nicht tragend. (Ar-chief)


Die Sorge war unbegründet. Die Autos liessen sich jetzt weitaus rationeller und damit preiswerter produzieren. Das wiederum machte sie für einen wachsenden Kundenkreis interessant: Mittelständler aus den Vororten. Eine amerikanische Liebesgeschichte begann, die jahrzehntelang andauern sollte. Das Holz aber hatten sich Generationen von Amerikanern als Bestandteil eines Station Wagon eingeprägt. So kam es als Folie auf das Blechkleid und blieb dort – und eroberte sogar die Topausführungen von MPVs.



1958 Rambler Ambassador Cross Country Station Wagon. Besonderheit: keine B-Säule, also eigentlich ein 4door Hardtop Wagon. (Ar-chief)



1957 Buick Series 60 Century Caballero 4dr Hardtop Station Wagon Model 69: Die logische Weiterführung des Ganzstahlkonzepts analog dem 1956 bei GM eingeführten 4dr Hardtop Sedan. Dennoch setzte sich der pfostenlose Station nicht durch und war weniger als 10 Jahre später bereits wieder verschwunden. Ar-chief




1967 Ford Country Squire: Full Size Station Wagon (Ar-chief)





1974 Chevrolet Vega Estate Wagon (Ar-chief


Aber nicht alle “Woodies” waren Station Wagon. 1941 Jahre stellte Chrysler den Prototyp eines ausserordentlich luxuriösen hölzernen Wagon mit Metalldach vor und nannte ihn Town & Country. Das Modell ging 1942 als 6- oder 9-Plätzer in Serie und wurd 1099 x gebaut (150 6-Plätzer). 1946 griff man die Idee wieder auf und legte dazu ein und einen Sedan auf. Diesmal gab es eine eigene Modellreihe mit Sedan und Convertible, alle mit dem 6-Zylinder des Windsor oder dem New Yorker Straight 8.. Dazu kamen 8 Brougham genannte Hardtops als Prototypen (einer war ein 6-Zylinder).

Bereits 1947 gab es nur noch den Sedan mit 6 und das Convertible mit 8 Zylindern. der Sedan lief 1948 aus, das Convertible Mitte 1949. Den Nachfolger gab es mit modernisierter Karosserie nur noch als Cabrio, das 1950 durch ein „Newport“ genanntes Hardtop abgelöst wurde.

Alle geschlossenen Versionen hatten Blechdächer aber nur die erste Ausführung von 1946 bis Mitte 1949 („First Series“) verwendete Echtholz für Paneele und Leisten (welche tragende Funktion hatten). Die 49er „Second Series“ und 50er Modelle hatten nicht tragende Holzleisten und Folien über Blech. Die Bezeichnung Town & Country blieb jahrzehntelang erhalten für die luxuriösesten Wagon (vergleichbar New Yorker) und zuletzt für den Minivan, den wir in Europa als Voyager kennen.




1950 Chrysler Windsor Newport Town & Country Wikipedia


Weniger bekannt ist, dass es noch andere Modelle mit Holzstruktur gab: Nash hatte auf dem 46er Ambassador einen Woody-Sedan (Modell 4664) – nicht einfach herzustellen denn man verwendete bereits eine Käfigbauweise, bei der Chassis und Karosseriestruktur eine Einheit bildeten.





1946 Ford V8 Sportsman Convertible (conceptcarz)



Neben den traditionellen Woodies boten Ford und Mercury je ein „Sportsman“ genanntes Convertible an mit Holzplanken an der Seite und am Heck. Dies war auch eine preiswerte Lösung, der Materialknappheit unmittelbar nach dem Krieg entgegenzuwirken: Holz wuchs in den riesigen Ford-eigenen Wäldern zur Genüge. Als Basis dienten gewöhnliche Convertibles. „Sportsman“ erhielten serienmässig Lederausstattung, hydraulische Fensterheber und zwei Schminkspiegel. Produziert wurden

1946: 1208 Exemplare; 1982 $
1947: 2250 Exemplare; 2282 $
1948: 28 Exemplare (umnummerierte 47er) ; 2282 $

Ein 46er Ford Super Deluxe Convertible kostete 1488 $.; das "normale" Mercury Convertible hatte einen Basispreis von 1604 $ und der „Sportsman“ kostete 2078 $. Nur total 205 Mercury Sportsman wurden gebaut.




1946 Mercury Eight Sportsman Convertible Series 69M. Dieses wunderschöne Exemplar mit einem schönen Kontrast zwischen der Lackierung in Deep Navy Blue und dem Aufbau in Ahorn und Mahagoni brachte an einer Auktion 2009 268'000 $... (conceptcarz)


Holzimitation ab Werk (es gab immer wieder mal reiche Rancher oder Hollywood-Leute, die sich so was als Einzelstück anfertigen liessen) wurden bei Mercury kurz noch einmal Ende der 60er und dann noch um 1982 als (unsäglicher) Chrysler T&C angeboten.


In Europa entstanden ebenfalls Woodies. Ich habe Fotos mit solchen Aufbauten auf Fahrgestellen von RR, Bentley, Hispano-Suiza und anderen gesehen. Bekannt waren auch Fiat Topolino Giardinetta und Mini Clubman Estate.

Ein Kapitel für sich sind die „Skiff“, ein Karosserietyp, der vor 1930 praktisch ausgestorben war. Hier wurden zumeist offene Karosserien mit Spitzheck komplett aus Holz in Bootsbauweise hergestellt.

Zum Schluss ein Link, den ich Euch auf keinen Fall vorenthalten will. Zur Nachahmung durchaus empfohlen.
Bild


ASK THE MAN WHO OWNS ONE

Es ist kompliziert.

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