Ultimativer Adventskalenderfred 2015

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Ultimativer Adventskalenderfred 2015

Beitrag #31 von chief tin cloud*RIP* » 04.12.2015, 02:16

Freitag, 4. Dezember 2015




:weihnachten:
Liebe Gemeinde,




Euer Adventskalenderfredredaktor ist viel zu gutmütig. Jetzt hat er sich doch schon wieder breitschlagen lassen und ganz unprogrammgemäss ein Türchen dazwischengeschoben, das so ganz und gar nicht vorgesehen war. Dafür musste einer seiner geliebten Highwheeler über die Klinge springen.


Und wozu?






Weil Ihr Muscle cars sehen wolltet. Jetzt kriegt Ihr halt noch einen.



Aber nur einen ganz kleinen. Einen, den kaum jemand auf dem Schirm hat, wenn es um Muscle cars geht. Und einen, der überhaupt eher versehentlich einer geworden ist.






Es geht um American Motors Allzweckwaffe der 1970er, den Hornet. Das Modell wurde 1969 als Nachfolger des kompakten Rambler American eingeführt und war eigentlich ein braver Compact, der mit Ford Maverick / Mercury Comet und Import-Modellen konkurrieren sollte. Er hatte eine selbsttragende Karosserie und konnte anfangs nur als zwei- und viertüriger Stufenheck-Sedan bestellt werden. Es gab ihn in zwei Ausstattungsstufen, Grundmodell und SST; erst 1971 kam der Sportabout Wagon (mit untypischer, oben angeschlagener Klappe) und 1973 das Hatchback hinzu. Der Kunde hatte zunächst nur die Wahl zwischen einem Six und noch einem Six:


199.0 c.i. (3261 ccm); 128 HP (94.2 kW) @ 4400 RPM
232.0 c.i. (3802 ccm); 155 HP (114.1 KW) @ 4400 RPM




1971 AMC Hornet SST Six Two Door Sedan (Quelle: Ar-Chief)

Das ist natürlich nicht der Stoff, aus dem Muscle cars gemacht sind. Andererseits hatte man sich gar nicht erst die Mühe gemacht, neue Aufhängungsteile zu konstruieren. Die größeren Ambassador / Matador hatten ja welche gekriegt, und was gut genug ist für Straßenkreuzer, müsste doch auch für einen Compact reichen.


Zweifellos: Das Auto hatte Potential. Die Aufhängung war zwar konventionell (bei welchem Muscle car ist sie es nicht?), dafür aber besonders robust. Heavy Duty im Grundpaket, sozusagen. Mit oberen Trapez-Dreieckquerlenkern vorn und einer Starrachse an Halbelliptikfedern hinten, rundum Teleskopdämpfern und einer Kugelkreislauflenkung mit optionaler Servolenkung. Rundum gab es Trommelbremsen ( Scheibenbremsen vorn und Bremshilfe gegen Aupreis), die Feststellbremse wurde mit dem Fuss betätigt. Der Benzintank fasst 62 l (21 Gal.).


Die Entwicklung kostete 40 Mio Dollar und wies den Weg, den CEO Roy D. Chapin, jr, und sein V-P of Design, Richard A. Teague (der persönliche Held Eures Adventskalenderfredredaktors; er hat auch Bienchen entworfen), gehen wollten: Zurück zum Nischenmarkt für Kompakte, den AMC mit dem Rambler einst dominiert hatte.


1971 wurde der 232 zum Standardmotor. Im Frühling kam ein Stoffschiebedach für Hornet und Gremlin auf die Zubehörliste. Wer es orderte, erhielt auch Weisswandreifen, Custom Radkappen, Pinstripes oder Rallystripes, Light group innen und Extraspiegel dazu. Warum auch immer...


Der Grundpreis rutschte von $1990 im Vorjahr auf $2175.


Und es gab neu eine V8-Version, eben den SC/360.




Und das kam so: Die Versicherungen waren dazu übergegangen, horrende Prämien für Muscle cars zu verlangen (siehe auch das Rally 350 Türchen). Chapin dachte offenbar, er könne die Versicherungen austricksen indem er den Muscle car harmloser darstellte, als sie tatsächlich waren. Dazu war angedacht, den 360er als reguläre Option für alle Hornet einzuführen. Weil die Grundlage für die Prämienberechnung im Verhältnis von Hubraum und Leistung lag, bot man den 360 mit 2 oder 4 BBL und mit 3-Gang-Schaltgetriebe und optional mit Torque Command (AMC-Sprech für die baugleiche Torqueflite) an. AMC rechnete mit 10.000 Autos jährlich, begann aber vorsichshalber nur mit dem 2 door Sedan. Einen Muscle car erhielt der Kunde durch Kreuzchen an den richtigen Stellen im Kaufvertrag. 4BBL mit 285 statt 245 HP, Vierganggetriebe Borg-Warner Super T-10 und das GO-Package, bestehend aus Ram Air induction, Doppelauspuff, Handlingpaket und Tourenzähler war schon mal ein guter Anfang...


[FONT=Liberation Sans, serif]



[FONT=Liberation Sans, serif]







1971 AMC Hornet SC/360 4BBL GO (Quelle: Hemmings)


Der Erstbesitzer dieses weissen Schmuckstücks – restauriert aus einer „Basis“, die nur noch entfernt an ein Auto erinnerte – orderte zudem Twin Grip 3.54:1 Rear end, Scheibenbremsen vorn, Servorbremsen und -lenkung, Bumper guards vorn und hinten Gepäckträger, AM Radio und Custom Lenkrad.





Es zeigte sich bald, dass die Versicherungen bei ihren hohen Prämien bleiben würden. Damit machte der 360 im Hornet
keinen Sinn und AMC stellte ihn zum Ende des Modelljahres ein.


Nur 784 SC/360 wurden gebaut. Davon waren 578 4BBL-Versionen und von diesen kamen 306 mit dem Borg-Warner Super T-10 Vierganggetriebe.


Insgesamt baute AMC 244.758 Fahrzeuge im Modelljahr 1971. Davon waren 123.304 Hornet, nter denen 8.600 Standard und 19.395 SST Two doors waren. SC/360 basierten auf dem SST und hier inbegriffen. Ach ja: Der Six leistete nur noch 135 HP.












1971 AMC Hornet SC/360 4BBL GO Torque Command (Quelle: Ar-Chief)


Dimensionen:
Radstand 274,5 cm;

Spur 143,5 / 145 cm
Wendekreis 11,6 m
Länge 470 cm
Breite 180,5 cm
Höhe 135 cm









Technische Daten 360: ohv-V8, 5899 ccm; 2BBL mit 245 BHP (180.3 kW) @ 4400 RPM; 4BBL 285 HP,, Gusseisen-Block, Zentrale Nockenwelle, 5fach gelagerte Kurbelwelle, Bohrung 4.1 in (104 mm), Hub 3.4 in (87 mm)





















1971 AMC Hornet SC/360 4BBL GO Torque Command (Quelle: Ar-Chief)



Aus dem Hornet wurden Concord, Eagle und der Spirit/AMX abgeleitet. Der Gremlin ist übrigens ein Hornet, dem das Heck amputiert wurde. 30 Jahre vor dem BMW 3er compact...





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Beitrag #32 von v8.lover » 04.12.2015, 11:16

Woah iss' das Ding geil - sieht nach "nix" aus, hat aber gut Dampf und mit dem 4-Gang-Schaltgetriebe (i.V.m. mit Sitzbank - sehr geil! :D) und der kurzen Achse muss der echt gut gehen! (OK, bis 160...) Und klein und leicht isser auch...
Hat was - sehr cool! :daumen:
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Beitrag #33 von Rubberhunter » 04.12.2015, 15:38

:D Guhl
Gruss Sebastian



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Beitrag #34 von 13erRing » 04.12.2015, 17:01

Coole Karre, ist mir schon geläufig.
Grüße Nils
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Beitrag #35 von chief tin cloud*RIP* » 05.12.2015, 00:25

Samstag, 5. Dezember 2015




:weihnachten:
Liebe Gemeinde,


heute steht eine Herzensangelegenheit Eures Adventskalenderfredredaktors auf dem Programm. Dazu müssen wir etwas zurückgehen. Noch etwas weiter... und noch etwas weiter...

1898.

Das ist das Jahr in dem ein erfolgreicher Elektroingenieur und Unternehmer namens James Ward Packard sich sein erstes Automobil kaufte. Sein Bruder, William Doud Packard, absolvent einer wirtschaftsuni und Geschäftspartner in verschiedenen gemeinsamen Betrieben, hatte ihm einige Jahre früher bereits ein De Dion-Bouton Tricycle aus Europa mitgebracht (gewitzte Adventskalenderfredleser kennen das Vehikel bereits), es soll aber sehr anfällig gewesen sein.



1898 Winton Runabout


W.D. Packard hatte sich ab 1890 theoretisch mit dem Bau eines Automobils beschäftigt und 1893 gemeinsam mit seinem Bruder erste Entwürfe gezeichnet.Um etwa 1895 stellte Packard Electric mit dem Maschinisten E.P. Cowles aus Wequiock bei Green Bay WI einen erfahrenen Konstrukteur als Leiter des Zeichnungsbüros ein. Dieser hatte bereits um 1875 einen ersten Dampfwagen gebaut und nahm mit seinem zweiten, dem Green Bay Steamer, 1878 am Wisconsin Reliability Trial statt. Dort schied er aber trotz überlegenem Material nach einem Unfall aus dem Wettbewerb. Aber das ist eine gaaaanz andere Geschichte...

Cowles entwarf danach für den Austin & Pendleton Machine Shop in Warren OH Dampflokomotiven. Er half 1896 den Packards und J.H. Howry, Präsident der Packard Electric Company Ltd. of Canada, bei den ersten Zeichnungen für ein Automobil, das allerdings nicht realisiert wurde.

Doch ich schweife ab. J. W. Packard kaufte also diesen Runabout von der Winton Motor Car Company in Cleveland OH. Alexander Wintons Produkte genossen einen sehr guten Ruf und waren gewiss nicht billig. Andererseits waren Automobile zu dieser Zeit alles andere als ausgereift und auch dieser Winton erwies sich schon während der Überführungsfahrt als unzuverlässig: Er erreichte sein Ziel schließlich mit einem halben Tag Verspätung und gezogen von zwei Pferden. Konkrete Verbesserungsvorschläge J. W. Packards zu den auch danach anhaltenden Problemen nervten Winton. Wahrscheinlich auch deshalb, weil Packards Anregungen tatsächlich Sinn machten. Das führte zur Empfehlung Wintons, Packard möge doch selber ein besseres Auto bauen, wo er doch besser wisse, wie dieses zu konstruieren sei. Es ist sehr wahrscheinlich, dass dies der letzte Auslöser für die Packard-Brüder war, eine eigene Entwicklung voranzutreiben.



1899 Packard Model A "Old number One", Werkbild von ca. 1925. Anstatt Trommelbremsen an den Hinterrädern gab es eine solche am Getriebe.

Die Brüder gingen mit bescheidenen Mitteln aber konsequent ans Werk. Von Winton warben sie dessen Werkleiter William Albert Hatcher ab und machten ihn zum „ Chefingenieur“ in der kleinen Werkstatt in einer Ecke ihrer Glühlampenfabrik New York & Ohio Company. Noch weniger erfreut dürfte Winton gewesen sein, dass sie ihm mit George Lewis Weiss aus Cleveland gleich noch seinen bedeutendsten Investor abspenstig machten. Tatsächlich war er darüber so erbost, dass er das Runabout, das Weiss früher gekauft hatte, aus dem Fahrgestellverzeichnis streichen ließ. Eine Massnahme, die viel später etliche Automobilhistoriker in die Irre führte...
Mit George L. Weiss begründeten die Brüder eine Partnerschaft, an der sich jeder mit $3.000 beteiligte. Packard and Weiss war organisatorisch der New York & Ohio Company angegliedert. Bereits am 3. Juli 1899 erfolgte die Gründung der Ohio Automobile Company, deren Mehrheitseigentümer und Präsident J. W. Packard wurde, der auch gleich fünf Patente einbrachte.
Zu dieser Zeit lief der Bau des ersten Modells, das originellerweise „A“ heissen sollte, bereits. Seine erste Testfahrt absolvierte es bereits am 6. November 1899 – erfolgreich. Das Team war seiner Sache so sicher, dass alle fünf Fahrzeuge noch 1899 begonnen wurden und zwischen Dezember 1899 und spätestens Februar 1900 fertiggestellt waren. Das Modell A war als Vorserie gedacht; nur ein Exemplar wurde tatsächlich verkauft. Die Fahrzeuge wurden von Anfang an als „Packard“ vermarktet.
Die Firma war mit ihren folgenden Einzylindermodellen, vor allem dem Modell F, recht erfolgreich.


Auslöser für dieses Türchen ist nicht nur diese nette Geschichte, sondern der Umstand, dass das einzige noch existierende Modell A vor kurzem fachgerecht restauriert wurde. Das erlaubt uns, einen Blick auf die High-Tech von 1899 zu werfen...






Gut sichtbar sind der Schlangenkühler, die Motor/Getriebeeinheit und der Tank. Das Lenkgestänge ist gelöst.



Chassis von hinten mit mittiger Antriebskette und längs angeordneten Halbelliptik-Blattfedern


[B]Fahrgestell[/B]
Das Modell A war ein leichter Wagen mit einem Rahmen aus geschweißten Stahlrohren, einem Radstand von 71.5 in. (1816 mm) und gleich grossen Vorder- und Hinterrädern (Reifen-Größe 34 x 3 Zoll) mit Drahtspeichen. Gefedert wurde vorn mittels gegeinander gestellten Querblattfedern, hinten mit l
ängs angeordneten Halbelliptik-Blattfedern. Gelenkt wurden die beiden Vorderräder mittels Lenkhebel.


Das schwer gebrauchte Fahrgestell von Wagen Nummer 4 oder 5

[B]Motor[/B]
Der Viertaktmotor war eine Eigenkonstruktion mit einem liegenden Zylinder. Der Kopf war nicht abnehmbar. Den Vergaser lieferte die französische Firma Longuemar über ihre Vertretung in den USA. Aus einem Hubraum von 2337 cm³ (142.6 c.i.) lieferte der Motor 7 bis 7½ PS bei 800 U/min im Wagen Nr. 1 in den folgenden gab er 9 PS (A.L.A.M.) ab.
Er war liegend quer unter der Sitzbank angebracht. Der Kühler fasste 15,1 Liter (4 Gallonen). Er war auf der rechten Seite direkt dahinter und im Fahrtwind stehend montiert. Über dem Motor und quer zur Fahrtrichtung war der zylinderförmige Benzintank angebracht.

[B]

Kraftübertragung[/B]
Das manuelle 2-Gang-Planetengetriebe mit Rückwärtsgang (keine Selbstverständlichkeit zu dieser Zeit) war an den Motor angeflanscht. Unmittelbar nach der ersten Erprobungsfahrt im November 1899 wurde eine H-Schaltkulisse für den Ganghebel konstruiert. Diese quasi nebenbei erfundene und patentierte Packard-Errungenschaft setzte sich schließlich weltweit durch....
Die weitere Kraftübertragung erfolgte durch eine längs mittig angeordnete Kette vom Getriebe zur Hinterachse. Die Untersetzung wurde individuell nach den Bedürfnissen des Kunden gewählt. So hatte Packard Nr. 1 getriebeseitig ein Zahnrad mit 10 Zähnen und an der Hinterachse eines mit 68 Zähnen, etwa entsprechend einem Übersetzungsverhältnis von 7 : 1.



Diese Aufnahmen zeigen Wagen Nummer 2, der William D. Packard gehörte.


Aufbau

Die Karosserie war als zweisitziger, offener Roadster in Holzbauweise ausgeführt. Optional gab es im Heck eine ausklappbare Bank für zwei rückwärts sitzende, zusätzliche Passagiere. Die Karosserien für alle fünf Fahrzeuge entstanden beim ortsansässigen Kutschenbauer Morgan & Williams. Alle waren schwarz lackiert, hatten mit Leder bezogene Sitze und optional eine vorne mittig angeordnete Beleuchtung, allenfalls ergänzt durch Lampen seitlich an der Sitzbank.



Packard Model A "Old Number One" in der Lehigh University
Verbleib
Von den fünf gebauten Fahrzeugen ist nur das erste erhalten geblieben. Es diente nicht nur als rollendes Versuchslabor, sondern auch als Privatwagen von J.W. Packard. Gelegentlich "Old Number One" genannt, handelt es sich um jenes Fahrzeug, das im Anschluss an die erste Probefahrt mit der H-Kulissenschaltung nachgerüstet wurde.




James Ward Packard war ein äusserst dankbarer Absolvent der Lehigh University (Abschluss 1884). Er vermachte dem ihr testamentarisch eine Million Dollar (woraus die Universität das Packard Institute begründete) und sein Packard Modell A. Dort verblieb das Fahrzeug, das irgendwann in eine gläserne Vitrine gestellt wurde und gelegentlich - immer seltener - für Fototermine hervorgeholt wurde. Seine letzten Termine absolvierte es an der Packard Centennial Celebration, die 1999 natürlich in warren stattfand und an einem Concours 2004. 2013 bekam es eine sorgfältige und fachgerechte Restaurierung, der wir diese besonderen Detailaufnahmen verdanken.







"Old Number One"; Aufnahmen um 1930. Die Dame in Mode von 1900 posiert vor der Packard Lodge, dem Haupthaus der 1927 eingeweihten Teststrecke. Die letzte Aufnahme entstand im Packard-Werk am East Grand Boulevard.






Wagen Nummer 4 oder 5



Quellen:

Aufnahmen von der Restaurierung: Hemmings
Aufnahmen ab 1928: Hemmings, Packard International und Ar-Chief
Aufnahmen 1899-1910: Werkbilder (gemeinfrei); Wikipedia, Ar-Chief
Tabelle: Ar-Chief



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Beitrag #36 von blackmagic57 » 05.12.2015, 01:31

Irgendwie versteh ich, daß Mr. Winton stinksauer war, erst recht als er bemerkte, was die Packard-Jungs, unter Mithilfe seines ehemaligen Werksleiters, als Grundlage zweifellos so alles abgekupfert haben...:rolleyes:
Interessante Geschichte.;)
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Beitrag #37 von 13erRing » 05.12.2015, 10:36

Ja tolle Story!
Grüße Nils
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Beitrag #38 von chief tin cloud*RIP* » 06.12.2015, 02:59

Sonntag, 6. Dezember 2015
2. Advent


:weihnachten:



Liebe Gemeinde,


nach der eher schweren Kost von gestern gibt es heute wenig zu berichten aber viel zu zeigen.

Das Auto, das ich Euch heute vorstellen möchte, ist ein Einzelstück, das auf einem ohnehin sehr seltenen Modell aufgebaut wurde


Zuerst zur Basis Es ist ein Muntz Jet, in knapp 394 Exemplaren gebaut von 1951 bis 1954. Das Fahrzeug wurde vom Indy-Konstrukteur Frank Kurtis aus Glendale CA entwickelt, wobei er von seinem sehr erfolgreichen Rennsportwagen ausging. Der Kurtis Kraft Sport hatte einen Ford Flathead V8 mit 3917 ccm Hubraum, 100 HP Leistung und ein Dreiganggetriebe. Der selber entwickelte Rahmen hatte einen Radstand von 2540 mm und war 4293 mm lang. Die Alu-Karosserie entwarf Kurtis wohl selber.


Der Autoverkäufer Earl “Madman” Muntz sah Potential in diesem Sportwagen – dies war die Zeit, in der aus Europa zurückkehrende GIs allerlei Sportwagen mitbrachten. Marken wie Triumph oder MG wurden so erst bekannt in den USA und bestellte zwei davon. Kurtis hatte Probleme, das Auto zu verkaufen; es kostete deutlich mehr als ein Cadillac. Von 1949 bis 1950 setzte Kurtis gerade mal 36 Exemplare ab.
Muntz hatte sich inzwischen Gedanken gemacht, wie der Wagen serientauglicher gemacht werden könnte. Er kaufte Kurtis Werkzeuge, Lagerbestände und Rechte am Sport ab und richtete in Evanston IL eine Fabrik ein. Das Auto erhielt ein optisches Facelift und zunächst eine Fiberglaskarosserie, die bald einer aus Stahlblech weichen musste. Zudem gab es ein abnehmbares Hardtop aus GFK. Als Antrieb diente ein Lincoln V8 in Verbindung mit einer Hydramatic (kein Versehen; Lincoln musste von GM Automatikgetriebe beziehen – und gut bezahlen - weil Ford keines hatte...)


Die letzten Muntz Jet erhielten potentere Cadillac 331 ci.

Auch Muntz hatte die Kosten nie im Griff. Er verlangte stolze $5200 pro Stück – später $5500 - und legte bei jedem einzelnen noch $1000 drauf. Ursache waren die horrend hohen Arbeitskosten ohne Automationsmöglichkeit.


Einer seiner Kunden war Bandleader Freddy Martin „Mr. Silvertone“ aus Los Angeles. Er kaufte seinen weissen Jet 1952. Drei Jahre später fand er ihn nicht mehr modern und kräftig genug. Mit einem solchen Problem wandte man sich an einen Customizer. Martin suchte Joe Bailon für diese verantwortungsvolle Tätigkeit aus. Der nahm das teure Stück in seinen Shop nach SF und machte sich ans Werk.



So dürfte der Muntz Jet vor seiner Sonderbehandlung ausgesehen haben. Dieses Exemplar ist von 1953.


Der Lincoln V8 wurde gegen einen Cadillac 331 in Eldorado-Ausührung getauscht. Er erhielt zudem etwas Tuning, unter anderem eine Batterie von drei Stromberg Doppelvergasern.








Bailon passte der Karosserie einen modifizierten Buick-Grill ein, änderte die Stossstangen, fügte Flossen und ein Continental-Kit ein.








Das Fahrzeug erhielt eine schwarz-weisse Lackierung und ein schwarzes Verdeck.






Das rote Lederinterieur war mit weissen Nähten abgesetzt.
Im März 1955 war das Auto auf der Titelseite von Motor Life. Danach stand das Fahrzeug lange Zeit und wurde dann aufwendig restauriert.


Weil nicht jeder präsent hat,wie ein unmodifizierter Muntz Jet aussieht, hier ein Prachtstück von 1953:










Quellen:
Serious Wheels (1953, weiss)
Hyman (1951, schwarz-weiss)
Hemmings (1953, gelb)
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Beitrag #39 von 13erRing » 06.12.2015, 12:44

Schön, hab ich noch nie was von gehört.
Grüße Nils
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Beitrag #40 von chief tin cloud*RIP* » 06.12.2015, 17:00

Heute ist Sonntag und da gibt es Nachschlag...
Nachträglich gefunden:







So wurde das Auto bei Bonhams präsentiert. 2009 wurde es an der Quail Lodge Auktion (gehört zu Pebble Beach) für $100.000 versteigert.









Impressionen von Kustomrama.





So sah das Auto um 1999 aus..




Freddy Martin


Eine Titelstory war es nicht, trotzdem ein schöner Bericht in Motor Life.




Quellen: Bonhams und Kustomrama
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Beitrag #41 von blackmagic57 » 06.12.2015, 19:36

Ich find, der Umbau hat dem Auto absolut nicht gut getan - nicht umsonst wollte ihn niemand mehr nutzen und er wurde abgestellt.
Die Stoßstangen waren vorher viel zu massiv nach meinem Empfinden, aber das was der "Veredler" da zurechtgebastelt hat, ohne auf geschlossene Lücken oder eine durchgehende Formensprache zu achten, ist mehr als gewöhnungsbedürftig - Schade.:o
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Beitrag #42 von chief tin cloud*RIP* » 07.12.2015, 03:34

Montag, 7. Dezember 2015


:weihnachten:



Liebe Gemeinde,


An der Story hinter dem heutigen Türchen hat Euer Adventskalenderfredredaktor sehr lange recherchiert. Ganz fertig ist er damit immer noch nicht, aber für einen Überblick reicht es immerhin.

Es geht um einen sehr alten Namen in der amerikanischen Fahrzeugindustrie:


Die Buda Engine Company war ein Motorenhersteller mit Sitz in Illinois. Das Unternehmen zählte über 100 überwiegend amerikanische LKW-Hersteller zu seinen Kunden und war auch ein bedeutender Anbieter von Motoren für Boote, Farmtraktoren, Baumaschinen und Logistikfahrzeuge; zeitweilig stellte Buda sogar Gabelstapler her. Nach der Übernahme durch Allis-Chalmers 1953 wurde die Marke eingestellt, von Buda entwickelte Motoren blieben jedoch noch lange im Angebot von Allis-Chalmers.

Unternehmensgeschichte
Das Unternehmen wurde 1881 von George Chalender in Buda IL gegründet und produzierte anfangs vor allem Werkzeuge und Maschinen zur Gleisdurcharbeitung, Weichen und Signalanlagen. Ende des 19. Jahrhunderts begann man in einer neuen, 2,4 Hektaren großen Fabrik in Harvey nahe Chicago IL auch Draisinen und Velozipeds, herzustellen die von zugekauften, luftgekühlten Einzylindermotoren angetrieben wurden.

Motoren
Ab etwa 1906 beschäftigte sich Buda auch mit der Entwicklung eines Automobils. Die Aussichten wurden aber als zu unsicher angesehen und das Projekt samt Prototyp an Fairbanks, Morse and Company in Chicago verkauft, wo 1908 ein weiterer Prototyp mit Vierzylindermotor entstand. Danach wurden auch dort die Arbeiten eingestellt. Die Herstellung von Motoren für Industrie, Landwirtschaft, Busse, Lastkraftwagen und Boote wurde erst 1910 aufgenommen. Noch 1912 wurden neben Motoren auch Fahrzeuggetriebe beworben.




Der Jeffery Quad (später Nash Quad) 1,5 und 2 tn LKW mit Allradantrieb und -lenkung war das wohl erfolgreichste Fahrzeug mit einem Buda-Motor.






Liberty Standard B 3 ton LKW im National Museum of the United States Air Force, ca. 1918. Der Motorblock mit paarweise gegoßenen Zylindern ist gut erkennbar. Er war eine Konstruktion von Continental, Buda lieferte nur Komponenten.




Teilnahme am Liberty-Programm

Im Ersten Weltkrieg war Buda am Liberty-LKW Programm der US-Regierung beteiligt und lieferte Motorenbestandteile.
Unter der Federführung des Quartermaster Corps der US-Armee und mit patriotischer Unterstützung der Automobil- und Nutzfahrzeugindustrie und insbesondere der Society of Automobile Engineers sollte in möglichst kurzer Zeit der technische Rückstand der kaum mechanisierten Armee ausgeglichen werden. 15 Nutzfahrzeughersteller und 62 Zulieferer waren angeschlossen.

Der Liberty-LKW basiert auf einem Entwurf der Gramm-Bernstein Motor Truck Company in Lima (Ohio), der in vier Varianten entwickelt wurde: Class A, AA, B und C. Die beiden letzteren galten als schwere LKW mit 3 resp. 5 tn Nutzlast; Class B wurde mit über 20.000 Exemplaren die bei weitem am meisten gebaute Version.

Motorfahrzeuge entstanden um die Jahrhundertwende überwiegend in Handarbeit; die einzelnen Komponenten und Bestandteile wurden fahrzeugspezifisch aufeinander abgestimmt. Die Austauschbarkeit von Bestandteilen war ein großer Fortschritt, für den Cadillac erst 1908 die Dewar-Trophy erhalten hatte, damals ein Innovationspreis der Automobilbranche.





1919 Jumbo Model A 2,5 tn; 312 c.i. Buda Vierzylinder

Hart umkämpfter Markt
Der Krieg veränderte die Marktsituation grundlegend. Bis weit in die 1920er Jahre gab es sowohl im PKW- wie auch im Nutzfahrzeugbau eine große Zahl von Herstellern, die ihre Fahrzeuge ganz oder teilweise "konfektionierten", womit das Zusammenstellen von auf dem Markt erhältlichen Komponenten gemeint ist. Dieser Markt wurde in den USA unter dem Begriff Assembled Vehicles zusammengefasst.





1920 Master J1 Junior 1,5 tn mit 294
c.i. Buda Vierzylinder



Er bot auch einer ganzen Reihe größerer und kleinerer Motorenbauer Absatzmöglichkeiten, war aber unter diesen auch heftig umkämpft. Buda war einer der massgeblichen Mitbewerber. Andere waren die Continental Motors Company in Muskegon MI als bedeutendster Anbieter, die Atlas Engine Works in Indiananoplis IN, die Climax Engineering Company in Clinton IO (kein Bezug zum britischen Coventry-Climax), die Hercules Engine Company in Canton OH, die Herschell-Spillman Company in North Tonawanda N, die LeRoi Company in Milwaukee WI, die Lycoming Company in Williamsport PA, die Rutenber Motor Company in Logansport IN, die Teetor-Harley Motor Corporation in Hagerstown IN, Waukesha Engines in Waukesha WI, die Weidely Motors Company in Indianapolis oder die Wisconsin Motor Manufacturing Company in Milwaukee WI.






1922 Macdonald 7tn mit 382 c.i. Buda Vierzylinder. Ein schwerer LKW seiner Zeit.


Nach Kriegsende verkauften die Streitkräfte der siegreichen Mächte große Teile ihres nun überflüssigen LKW-Bestands. Das führte sofort zu einem Markteinbruch für neue Nutzfahrzeuge, besonders in der Klasse bis 3 tn Nutzlast, denn die ausgemusterten Armeelastwagen waren gut unterhalten, wurden vor dem Verkauf instand gestellt und waren deutlich günstiger als Neufahrzeuge. Obwohl die US-Behörden schnell entschieden, die in Europa eingesetzten Fahrzeuge nicht mehr zurück in die USA zu holen (was das Problem in Europa verschärfte), wurde auch der US-Markt betroffen, denn der Bestand an Armeelastwagen wurde auch hier reduziert. Schlagartig endeten auch die Bestellungen der Armee, von denen zahllose Unternehmen inner- und außerhalb des Fahrzeugbereichs abhingen.
Der erbitterte Konkurrenzkampf unter den Nutzfahrzeugherstellern einerseits und ihren Zulieferern andererseits führte zu einer Marktbereinigung. Dutzende kleiner, häufig nur regional tätiger LKW- und Bushersteller mussten schliessen. Die verbliebenen Hersteller und Konzerne entwickelten und bauten ihre Motoren zunehmend selber, sodass dieser Geschäftsbereich für unabhängige Unternehmen wie Buda erodierte. Ein ähnlicher Verdrängungskampf hatte im PKW-Bereich schon früher begonnen, als Henry Ford ab 1913 mit der konsequenten Fließfertigung seines Ford Modell T begann und gleichzeitig die Abhängigkeit von Komponentenlieferanten deutlich reduziert wurde.




Buda-Lanova Diesel Reihenachtzylinder in einem stillgelegten Euclid truck.


Verkauf des Unternehmens

1953 erwarb Allis-Chalmers das Unternehmen und die Buda-Lanova-Modelle wurden als „Allis-Chalmers Dieselmotoren“ vermarktet.
Bis heute produziert eine Buda Engine Company in Shreveport Ersatzteile.


Nutzfahrzeughersteller mit Buda-Motoren
Buda-Motoren wurden in den 1910-er bis in die 1945er-Jahre von zahlreichen Automobil- und LKW-Herstellern verbaut. Bekannt sind 110 verschiedene Nutzfahrzeugproduzenten, die ganz oder teilweise auf Buda-Motoren setzten. Euer Adventskalnderedaktor kennt sie alle, verschont Euch aber an dieser Stelle mit einer Auflistung.
Bethlehem, International, Euclid, Kenworth, Rehberger oder Transport gehörten zu den Kunden. ;)




Quellen: Wikipedia und Trombinoscars

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Beitrag #43 von Rubberhunter » 07.12.2015, 10:01

Wieder drei sehr interessante Türchen. Danke
Gruss Sebastian



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Beitrag #44 von stero111 » 07.12.2015, 10:33

Ist das geil!!! Danke für dieses Türchen und alle anderen.
Trotzdem mache ich mir Sorgen... schon 7 sehr interessante Türchen...und sogar Lastwagen aber noch kein Messing?! Chief? Alles in Ordnung mit Dir:D:):D
Egal wie tief man die Messlatte für den menschlichen Verstand ansetzt, jeden Tag kommt jemand und marschiert aufrecht drunter durch!
Ich bleibe wie ich bin. Schon alleine weil es Andere stört
Gaudeamus igitur!
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blackmagic57
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Beitrag #45 von blackmagic57 » 07.12.2015, 22:57

Man(n) muß sich mal vorstellen, so einen lärmenden, stinkenden und bockigen Truck, der mit den Vollgummirädern oder gar noch Eisenrädern in jedes Schlagloch kracht und beharrlich seinen eigenen Willen durchsetzen will, über die besseren Feldwege, die sie damals "Straße" nannten, zu prügeln.
Da braucht´s schon richtige Männer.
Und ist die Fuhre erstmal in Schwung, dürfte das Abbremsen in ein echtes Abenteuer ausarten...:eek:
´
Wenn eine Fliege auf deinem Hoden landet wirst du lernen, Konflikte ohne Gewalt zu lösen. :fiesgrins:


Cadillac, what else? :rolleyes: :arrow: zu meinem ´57 Cadillac Resto-Thread

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