Freitag, 15. Dezember 2017
Liebe Gemeinde,
Euer Adventskalenderfredredaktor ist fix und fertig. Die letzten beiden Türchen erforderten Sonderschichten. Das heutige Doppeltürchen hätte eigentlich gestern erscheinen sollen. Gegen den Snow Cruiser hatte es keine Chance.
Es öffnet sich einerseits für den zweiten Teil der Biografie von Robert William Thomson und andererseits für noch einen roten Packard. Letzterer ist Eurem Adventskalenderfredredaktor kurzfristig untergekommen. Ihr könnt ihm glauben: Rot steht ihm, obwohl er nicht Nikolaus heisst....
1849 patentierte Thomson einen funktionierenden Füllfederhalter, den er an der Great Exhibition, der ersten Weltausstellung 1851 in London, zeigte. Ausserdem präsentierte er einen von ihm konstruierten Rollstuhl mit Vollgummireifen .
Im folgenden Jahr nahm er eine Stellung als Agent einer Engineeringfirma auf Java (Polynesien) an, damals eine niederländische Kolonie. Dort war er für Maschinen und Geräte eines Kunden verantwortlich, der Zucker verarbeitete. Für diesen entwarf er Geräte und verbesserte Maschinen.
Anzeige der Alexander Chaplin Co. für den von Thomson entwickelten Dampfbagger (1866)
Einen selbstfahrenden Dampfbagger konstruierte er, um eine Anordnung der Kolonialverwaltung zu erfüllen. Diese bewilligte den Betrieb eines solchen Geräts nur unter der Auflage, dass es jeweils abends zu entfernen sei. Thomson ließ den Bagger beim Lokomotiven- und Maschinenhersteller Alexander Chaplin & Company in Glasgow bauen. Er verzichtete darauf, dazu ein Patent einzureichen. Dies tat danach Chaplin's so erfolgreich, dass eine ganze Familie von mobilen Dampfbaggern entstand und zwei Werke mit deren Herstellung ausgelastet waren.
1860 besuchte Thomson Lieferanten in Europa, die Komponenten für ein hydraulisches Dock fertigen sollten. Die Hülle bestand aus Stahlplatten mit standardisierten Formen, die in ihrer Kategorie austauschbar waren. Je ein Dock entstand im Auftrag der französischen Regierung in Saigon (damals Französisch-Indochina) und für ein Unternehmen in Callao (Peru). Außerdem experimentierte er mit Gummi, was zu einem verbesserten Rad für Dampfwagen führte, diesmal aus Vollgummi in einer weichen Mischung.
Die Jahre nach seiner Rückkehr und bis zu seinem Tod waren die erfolgreichsten in Thomsons Karriere. Zunächst richtete er trotz seiner nachlassenden Gesundheit ein eigenes Engineeringbüro und eine Werkstätte ein. Letztere stand in Leith, heute ein Stadtteil von Edinburgh. Zwischen 1863 und 1866 wurden ihm drei Patente gewährt, die in Zusammenhang mit verschiedenen Aspekten der Dampfkraft stehen. Sie betrafen seine Dampfmaschine mit elliptischen Schiebern (Patent Nr. 512 vom 24. Februar 1863), einen verbesserten Dampfkessel (Patent Nr. 401 vom 13. Februar 1865) und verbesserte Kontrollanzeigen (Patent Nr. 1006 vom 9. April 1866). Diese Erfindungen flossen in seinen eigenen Dampfwagen ein.
Thomson war frustriert von den materialtechnischen Einschränkungen seines Aerial wheel. Seine Grundidee des leisen, griffigen Reifens versuchte er nun über Räder mit Vollgummibereifung zu verwirklichen. Nachdem seinem bereits 1851 an der Great Exhibition gezeigten Rollstuhl, begann er noch auf Java an der ernsthaften Umsetzung. Ein Patent dazu erhielt er aber erst am 24. Oktober 1867 mit der Nr. 2986.
Thomson-Dampfwagen; ca. 1867 und 1870.
In Leith stellte er mindestens einen Dampfwagen nach eigenem Patent her. Der erste dieser Road Steamer war eine Zugmaschine und für den Transport von Zucker auf Java gedacht. Thomson griff dabei auf seine alte Idee mit elastischen Reifen zurück und entwarf dazu ein Radsystem, bei dem ein weicher Vollgummireifen nur durch Friktionskraft auf der Felge gehalten wird: Das hohe Gewicht des Wagens drückt die Felge nach unten, wodurch sich die Auflagefläche des Reifens auf dem Boden erhöht und die Last besser verteilt wird. Während sich die äußere Oberfläche dem Untergrund anpasst und weniger einsinkt, bildet die innere eine Art "endlose Kette", auf der sich das Fahrzeug bewegt. Auch darauf erhielt Thomson ein Patent, ausgestellt am 24. Oktober 1867 mit der Nr. 2986.
Die Idee mit dem weichen Reifen ist eine erstaunliche Parallele zum Snow Cruiser. Thomsons Gummiräder funktionierten, wenn auch nicht in der Antarktis...
In den folgenden Jahren verbesserte er das Rad ständig und erhielt sechs weitere Patente. Das letzte erreichte ihn wenige Tage vor seinem Tod. Robert William Thomson verstarb am 8. März 1873 nach langer Krankheitin seinem Heim in Edinburgh - „keineswegs unerwartet“, wie The Engineer in seinem Nachruf vom 14. März 1873 vermerkte. Kurz zuvor hatte er dem Organ der Royal Society of Edinburgh einen Artikel zukommen lassen „On the Formation of Coal, and on the changes produced in the composition of the strata by the solvent action of water slowly penetrating through the Earth's crust during long periods of geological time.“ - „Über die Bildung von Kohle und über die Veränderungen, die in der Zusammensetzung der Schichten durch die lösende Wirkung von Wasser erzeugt werden, das langsam und während langer Perioden geologischer Zeit durch die Erdkruste dringt.“ Der Artikel erschien 1875. Seine letzte Ruhestätte fand Robert William Thomson auf dem Dean Cemetery in Edinburgh.
Clara Thomson reichte nach seinem Tod ein Patent über „Elastische Bänder, Sitze und andere Stützen und Kissen“ ein - seine letzte Arbeit.
Thomsons letzte Wohnung befand sich im linken Flügel dieses Hauses (also rechts im Bild), 3 - 5 Moray Place, Edinburgh
Dunlop und der pneumatische Fahrradreifen
Jahrzehnte nach Thomsons Tod erlangte sein Aerial wheel-Patent noch einmal Bedeutung, als John Boyd Dunlop (1840–1921) seinen eigenen Luftreifen 1888 zum Patent anmeldete. Zwei Jahre später wurde es annulliert wegen Thomsons früherer Erfindung. Dessen Patente von 1846 in Frankreich und 1847 in den USA eröffneten andererseits André und Édouard Michelin die Handhabe, ihren eigenen Luftreifen patentieren zu lassen. Thomsons Erfindung war also ein Wegbereiter, kam aber für einen wirtschaftlichen Erfolg zu früh.
Trotzdem wurde er regelrecht diskreditiert. In manchen Trivialwerken zur Geschichte des Autos wird er - oft nicht einmal namentlich, als "Erfinder" eines „Fahrrad-“ oder „Fuhrwerkreifen“ aus mit Luft gefüllten Tierdärmen erwähnt. Thomson beschäftigte sich aber weder mit Fahrrädern (es gab auch noch kaum welche), noch war er Fuhrhalter. Den Durchbruch des Luftreifens, zunächst am Fahrrad, erlebte Thomson nicht mehr...
Wenn Ihr nun rot seht, liegt es nicht an der Brille...
1923 hatte Packard seinen letzten echten Truck gebaut. In der Folge wurden die massiven Fahrgestelle der Personenwagen immer wieder für kommerzielle Aufbauten herangezogen: Vans für die Hauslieferungen extravaganter Fachgeschäfte, Ambulanzen und immer wieder Bestattungsfahrzeuge. Letztere wurden von Henney in Williamsport so erfolgreich vermarktet, dass Packard 1935 eine Kooperation einging und extralange Fahrgestelle produzierte, die zum überwiegenden Teil von Henney abgenommen wurden. Ähnliches machte Cadillac mit seiner Series 86.
Einige wenige dieser Commercial-Fahrgestelle fanden auch andere Karossiers - oder Anwendungen. Wie die hier vorgestellte Super Eight Fire Engine. Den Umbau nahm die General Fire Truck Corporation in Detroit vor. Zwischen 1937 und 1938 entstanden nur vier solche Packard-Feuerwehren. Alle waren Pumper, und dies war angeblich der einzige Super 8. Die anderen waren Twelve.
Der Feuerwehrzubehörhersteller wurde 1903 oder 1905 gegründet (je nachdem, welcher Quelle man glauben will) als General Manufacturing Company in St. Louis MS. Anfangs wurden Schläuch und Gurte für die Industrie hergestellt (Transmissionsriemen etc.). Später kamen chemische Feuerlöscher dazu und immer mehr Feuerwehrzubehör bis zu kompletten Fahrzeugen. 1926 wurden neue Räumlichkeiten bezogen und der Name geändert auf General Fire Truck Corp. In dieserzeit waren ein Torpredoblech aus poliertem Aluminium und eine Alarmglocke, auf der ein Adler mit gespreizten Schwingen sass, das Markenzeichen.
1927 begann eine Zusammenarbeit mit Pierce-Arrow (wo eine Nutzfahrzeugabteilung auch schwere Trucks produzierte). Auf dem Model Z Busfahrgestell wurden nun auch GFT-Feuerwehren aufgebaut Piercew-Arrow wiederum hing mit Studebaker zusammen, und die hatten bekanntlich auch Nutzfahrzeuge. Erst 1936 zog GFT nach Detroit. Nun wurden Fahrgestelle von Chevrolet, GMC, Ford, Dodge, Diamond-T, International und Reo verwendet. Packard spielte hier also keine grosse Rolle.
Das Layout des Armaturenbretts ist Packard pur. Im PKW war das Blech nicht lackiert, stattdessen gab es Woodgrain Appliqué, das farblich mit dem warmen Braunton der zifferblätter harmonierte. Bei Packard hätte das Auto allerding die Hallen nicht verlassen mit dieser lieblosen Schalterbatterie...
Der unverwüstliche R8 wurde bis in die 1950er Jahre gebaut.
Zubehör aus der Zeit...
Zu dieser Feuerwehr lieferte Packard Fahrgestell und Front samt Armaturenbrett. Von GFT kamen die Achsen mit wuchtigen, hinten doppelten, Zwanzigzöllern (warscheinlich von Dana oder Timken zugekauft). Der seitengesteuerte 320 ci R8 mit Stromberg-Vergaser und 130 bhp. Das originale Dreiganggetriebe wurde durch ein Siebengang-Saginaw-Getriebe ersetzt. Saginaw war eine GM-Division. Ob die vordere ifs mit Spiralfedern und hinteren Blattfederung gegenüber dem normalen PKW verstärkt waren, ist nicht bekannt aber wahrscheinlich. Hydraulische Stossdämpfer gehörten zur Ausstattung.
Der Packard wurde 1938 an das Fire Department von Eau Claire WI ausgeliefert und tat dort Dienst bis 1954. Dann kaufte ihn das Fall Creek FD und behielt ihn bis 1999. Danach wurde er verkauft und restauriert. Der Schätzwert liegt bei $250.000,- bis 350.000,-, was wiederum weniger an der frischen roten Farbe liegt als an der Tatsache, dass das Fahrzeug in seinem ganzen Leben weniger als 9000 Mls gelaufen ist...
Zufällig fand sich im Ar-Chief auch noch dieser 1938 GFT-Packard Twelve...