Samstag, 23. Dezember 2017
Liebe Gemeinde,
das heutige Türchen führt uns zu einer - allerdings wahren - amerikanischen Legende: Den ersten Sieg eines US-Rennwagens an einem europäischen Grand Prix. Das war am XV Grand Prix de l'A.C.F. Austragungsort war der Circuit de la Sarthe bei Le Mans und das Datum hat sich in das Gedächtnis der amerikanischen Motorsportbegeisterten eingebrannt: Der 25. Juli 1921.
Das Rennen wurde über 30 Runden zu 17,260 km ausgetragen, was einer Gesamtdistanz von 517,80 km entspricht. Werksfahrer Jimmy Murphy (USA) auf Duesenberg war nach 4 Stunden, 7 Minuten und 11.4 Sekunden als erster im Ziel. Sein Schnitt betrug 125.70 km/h, und sein Vorsprung auf den Zweiten 14 Minuten. Ins Rennen gegangen war er als krasser Aussenseiter - wie alle Duesenberg-Fahrer. Er war bandagiert von einem Unfall am Vortag und sein Duesenberg hatte einen durchlöcheten Kühler und demzufolge einen überhitzten Motor. 17 km vor dem Ziel hatte er einen Reifenplatzer und schleppte sich so ins Ziel...
Erst 1960 sollte mit Phil Hill in Monza wieder ein Amerikaner in Europa einen Grand Prix gewinnen.
Doch der Reihe nach. Es war ein sehr besonderes Rennen, das der Automobile Club de France plante. Es war nicht nur der erste GP nach dem Ersten Weltkrieg, sondern auch der erste, bei dem Vertreter der Verlierermächte zugelassen waren. Das eine bedingte eigentlich das andere, doch die vormals starken deutschen Teams verzichteten. Der ACF-Prädident, Baron René de Knyff, hatte erhebliche Probleme, ein akzeptables Starterfeld zu organisieren. Nach langem hin und her meldeten fünf Teams ihre Fahrzeuge an: Ballot (F), Duesenberg (USA), FIAT (I), Mathis (F) und Sunbeam (GB).
Haushoher Favorit war das Team um den kleinen Sportwagenhersteller Ballot, das mit den Fahrerlegenden Jules Goux, Louis Wagner, Jean Chassagne und den Italienern Giulio Foresti und Ralph DePalma (der 1920 in den USA eingebürgert wurde) auftrumpfte. FIAT meldete zwei Tipo 802 mit Pietro Bordino und Ugo Sivocci. Den einzigen Mathis fuhr Emile Mathis persönlich. Die Marke stieg in den 1920er zu einem beliebten Gebrauchswagenhersteller auf. Aus einer Kooperation mit Ford France resultierte Matford und aus dieser SIMCA - aber das ist eine gaaaaanz andere Geschichte... Im Sunbeam-Team gab es heftigen internen Streit bis hin zu Handgreiflichkeiten. Wahrscheinlich war das der Grund, warum nur fünf statt sieben Wagen am Start standen. Deren Fahrer waren Andre Dubonnet (F, der Aperitif-Erbe sollte eigentlich einen Duesenberg fahren), André Boillot (F), René Thomas (F), Kenelm Lee Guinness (schottischer Bierbrauer und ehemaliger Weltrekordhalter auf Darracq) und Henry Segrave, ein nachmaliger Weltrekordhalter. Es fehlten der Graf Louis Zborowski (der Erfinder der haarsträubenden Chitty-Chitty-Bang-Bang-Rennwagen mit Flugzeugmotoren) und der Italiener Dario Resta, deren Wagen nicht bereit waren. Vier Duesenberg wurden gemeldet, aber nur drei waren "Werkswagen" und gesponsort von Privaten und der US-Autoindustrie, allen voran General Motors (!) und Firestone. Die Duesenberg-Brüder hätten das Abenteuer nicht finanzieren können. Die Expedition kam zustande, weil Frankreich eine Extra-Einladung in die USA schickte und als freundliche Geste an die früheren Verbündeten Le Mans als Austragungsort wählte, wo es viele Franzosen gab, welche den amerikanischen Expeditionstruppen im Krieg dankbar waren. Kein einziger der etablierten Hersteller wollte das nicht unerhebliche Risiko einer neuerlichen Blamage in Europa eingehen. Augie Duesenberg war Teamleiter, seine Fahrer waren Jimmy Murphy (USA), Joe Boyer (USA) und Albert Guyot (F). Und dann gab es noch den vierten Wagen. Er wurde vom Team mit betreut, die Finanzierung erfolgte je zur Hälfte durch Louis Inghilbert und André Dubonnet - den aufmerksame Adventskalenderfredleser bereits von seinem Special "Xenia" auf Hispano-Suiza-Basis und der nach ihm benannten ifs-Vorderachse kennen.
Jimmy Murphys Siegerwagen im Indianapolis Motor Museum. 1922 gewann er damit die Indy 500 - mit einem Miller-Motor.
Fred Duesenberg ging ein erhebliches Risiko ein, indem er kaum modifizierte Indy-Renner nach Europa schickte. Diese hatten erstmals hydraulische Vierradbremsen, waren aber wenig erprobt.
Das Training stand unter keinem guten Stern. Angeblich kam im Training ein Ballot-Fahrer ums Leben. Was da genau geschah, muss Euer Adventskalenderfredredaktor allerdings noch recherchieren. Jedenfalls ist die offizielle Darstellung falsch, nach der André Dubonnet für Sunbeam gelistet wurde. Fest steht, dass die Strasse rutschig war und beinahe auch Murphy zum Verhängnis geworden wäre. Er fuhr das Training mit Inghilbert als Bordmechaniker. Als ihm ein Pferd vor den Wagen lief, musste er ausweichen und rutschte seitlich durch einen Zaun ehe ich der Wagen überschlug. Inghilbert landete mit einem Knochenbruch im Spital und verpasste das Rennen, ohne einen Gegenwert für seinen finanziellen Einsatz.
Startaufstellung
Henry Segrave (Sunbeam) und Jimmy Murphy (Dusenberg) am Start.
Die offizielle Startaufstellung zeigt 13 Fahrzeuge, die es an die Linie schafften. Es fehlen die beiden Fiat und zwei Sunbeam - und es kann etwas nicht stimmen damit: Alle vier Duesenberg starteten. Die Diskrepanz geht möglicherweise auf den am Vortag verunfallten Ballot zurück. Dubonnet wird als Gesamtvierter geführt, allerdings auf Sunbeam. Nach der Ansicht Eures Adventskalenderfredredaktors ist das falsch, sein Wagen müsste ein Duesenberg gewesen sein.
1 1 Ralph DePalma Ballot 3L
2 3 Emile Mathis Mathis
3 4 Kenelm Lee Guinness Sunbeam
4 5 Rene Thomas Sunbeam
5 6 Albert Guyot Duesenberg
6 8 Jean Chassagne Ballot 3L
7 10 Henry Segrave Sunbeam
8 12 Jimmy Murphy Duesenberg
9 14 Louis Wagner Ballot 3L
10 15 Andre Boillot Sunbeam
11 16 Joe Boyer Duesenberg
12 18 Jules Goux Ballot 2LS
13 7 Andre Dubonnet Sunbeam FEHLER: Duesenberg Nr. 19?!
Der Start erfolgte in Zweierreihen. Die Fahrzeuge wurden paarweise in 30-Sekunden-Intervallen auf die Strecke geschickt.
Albert Guyot
Bereits nach einer Stunde war der Strassenbelg weitgehend zerstört. Der Sand war weggefegt und der Schotter lag blank. Bereits in der 5. Runde fiel Emile Mathis auf dem einzigen Mathis aus; Murphy hatte in Runde 7 einen kurzen Boxenstopp und übernahm, nach 181 Meilen, in Runde 17, die Führung. Teamkamerad Guyot lag an zweiter Stelle und hätte diese Position halten können, wenn nicht ein hochgeschleuderter Stein seinen Mechaniker getroffen hätte. Guyot brachte ihn an die Box, von wo er ins Spital gebracht wurde. Ein anderer Mechaniker sprang in den Wagen, und Guyot setzte das Rennen an 6. Position fort. In der 17. Runde fielen Joe Boyer (Duesenberg) und Jean Chassagne (Ballot 3 Litre) aus.
Dreimal Jimmy Murphy
Bereits nach einer Stunde war der Strassenbelg weitgehend zerstört. Der Sand war weggefegt und der Schotter lag blank. Murphy hatte in Runde 7 einen kurzen Boxenstopp und übernahm, nach 181 Meilen, in Runde 17 die Führung. In Runde 23 fiel René Thomas auf Sunbeam.
In Runde 29 zerschlug ein Stein den Kühler an Murphys Wagen und nur Sekunden später platzte ein Reifen. Murphy schaffte es knapp und mit überhitztem Motor an die Boxen, wo der Reifen gewechselt und der Motor notdürftig gekühlt wurde. 8 Meilen vor dem Ziel platzte erneut ein Reifen. Es ist ein kleines Wunder, dass der Duesenberg das Ziel erreichte. Murphy gewann das Rennen trotz allem komfortabel mit einer Zeit von 4 Stunden, 7 Minuten und 11.4 Sekunden vor DePalma mit 4 Stunden 22 Minuten und 10.6 Sekunden, gefolgt von Jules Goux (Ballot 2LS), André Dubonnet (Duesenberg) und André Boillot (Sunbeam 30). Sechster wurde Albert Guyot auf dem zweiten im Rennen verbliebenen Duesenberg.
Murphy erreichte einen Schnitt von 78.1 MPH (125.67 km/h).
Duesenberg kehrte nach dem Triumph nie wieder an einen europäischen Grand Prix zurück.
Die Fahrer