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Bugatti Type 57 1934-40

Bemerkenswerte Klassiker weltweit
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Bugatti Type 57 1934-40

Beitrag #1 von chief tin cloud*RIP* » 10.11.2011, 10:51





Bugatti Type 57 1934-40

1. Teil

Der Type 57 ist das wichtigste und am längsten gebaute Modell der legendären Marke.

Seine ersten Entwürfe für Automobile hatte Ettore Bugatti bereits zum Ende des vorletzten Jahrhunderts abgeliefert. Damals arbeitete er unter anderem für de Dietrich. 1910 gründete er seine eigene Firma in Molsheim im Elsass, das zu der Zeit zum Deutschen Reich gehörte. Seinen Namen machte sich Bugatti vor allem durch leichte und schnelle Sportwagen und im Rennsport, so mit der „Breschia“-Baureihe (Typen 13, 15, 17, 22, 23) und natürlich dem legendären Type 35, der in zahlreichen Varianten als Sport- wie auch als Grand-Prix-Fahrzeug zu haben war.

Das andere Extrem war der Type 41 „Royale“, das luxuriöseste Automobil aller Zeiten. Nur 7 Stück inklusive Prototyp wurden gebaut. Der Motor war nach den gleichen Prinzipien aufgebaut aber ins Gigantische dimensioniert: Der Prototyp hatte 11,7 Liter Hubraum, die übrigen 6 Stück je 12,8!





1934 Bugatti Type 57 Roadster von Franay
(Quelle: RitzSite.nl)

Das letzte Vorkriegsmodell der Marke sollte das erfolgreichste werden: Der Type 57. Die Leitung des Projekts hatte Ettore Bugatiis Sohn Jean.

Gebaut von 1934-40 war dies ein bemerkenswertes Auto. In vielen Details war er sehr fortschrittlich – und in einigen andern hoffnungslos rückständig. So hielt man immer noch an der starren Vorderachse fest und machte sich – wie Henry Ford auf der anderen Seite des Atlantiks (und der Preisskala) - nichts aus der Kritik, Seilzugbremsen seien völlig ungenügend. Der Motorblock ohne abnehmbaren Zylinderkopf („monobloc“) war Motorsport pur aber alles andere als wartungsfreundlich: Zwar kann eine nicht vorhandene Zylinderkopfdichtung auch keinen Motorausfall verursachen – doch ein simpler Kerzenwechsel erforderte Ausbau und Demontage des ganzen Motors! Der Type 57 war der erste Bugatti bei dem Motor und Getriebe zusammengeflanscht waren. Nicht, dass die Modelle davor etwa Transaxles gewesen wären(Motor von, Getriebe an der Hinterachse = bessere Gewichtsverteilung). Ettore hatte einfach das Getriebe mittig im Chassis befestigt und benötigte daher nicht nur die Kardanwelle vom Getriebe zur Hinterachse sondern eine weitere zwischen Motor und Getriebe. Davon waren viele Hersteler schjon vordem 1. Weltkrieg abgekommen.




1934 Bugatti Type 57 Ventoux; Design Jean Bugatti
(Quelle: RitzSite.nl)

Dieses Triebwerk gilt als Gesamtkunstwerk aus Aluminium. Der Block war sogar mit Zapfenschliff verziert! Wichtiger waren 2 obenliegende Nockenwellen und eine 6-fach gelagerte Kurbelwelle. Der Hubraum betrug 3’257 ccm, die Leistung ca. 135 PS @ 5500/min in der Basisversion. Mit einem leichten Aufbau war das Auto damit bis 160 km/h schnell und benötigte gut 12 Sekunden von 0 auf 100 km/h.

Serienmässig war ein 4-Gang-Getriebe verbaut dessen 3 obere Gänge synchronisiert waren. Viele Type 57 wurden mit elektrischem Cotal-Vorwählgetriebe geordert. Das System erlaubte es, einen Gang zu wählen und diesen mit Betätigen der Kupplung einzulegen. Dadurch konnte der Fahrer zB vor Kurven die Hände am (natürlich nicht servo-unterstützten) Lenkrad behalten und trotzdem herunterschalten.
Das Chassis hatte einen Radstand von 3,3 m, die Spur betrug 1,35 m.

710 Bugatti Type 57 sind gebaut worden.


„Galibier“, „Stelvio“ und „Ventoux“
Anfänglich gab es drei „Werkskarosserien“ für den Type 57: Die Berline (Sedan für Nicht-Franzosen) „Galibier“, das 4-sitzige Cabriolet „Stelvio“ und die ebenfalls 4-sitzige Coach (Coupé im Rest der Welt) „Ventoux“, alle benannt nach bekannten Pässen.

Der „Galibier“ war im Prinzip ein Hardtop Sedan der ganz ohne B-Säule auskam. Die vorderen Türen waren vorn, die hinteren hinten angeschlagen. Ein sinnreicher Mechanismus sicherte die Türen gegenseitig und am Boden und Dach. Nachteil war, dass zum Öffner der hinteren Türen immer erst die vorderen geöffnet werden mussten.
Der „Stelvio“ hatte als Besonderheit einen Verdeckkasten in den das Dach beim Öffnen gesenkt wurde. So störte das geöffnete Verdeck die Fahrzeuglinie nicht.





1934 Bugatti Type 57 „Galibier“ Série I. In dieser Form wirkt der Type 57 fast schon zerbrechlich. Die konservative Form birgt einen Aufbau mit viel Aluminium, ausgeführt in höchster Qualität.
(Quelle: RitzSite.nl)

Der “Ventoux” war die populärste Variante. Das Design von Jean Bugatti war eine Ableitung seines klassischen „Coach profilée“, das 1932 auf dem dem 5-Liter Chassis Type 50 vorgestellt worden war. Auffälligstes Merkmal war die extrem flach gestellte Frontscheibe. Typisch für Jean Bugatti war auch die weiche, ineinander fliessende Linie von Kotflügeln und Trittbrettern. Der „Ventoux“ war mit 2 oder 4 Seitenscheiben erhältlich.

Die Berline verkaufte sich nicht besonders gut. Trotzdem blieben alle Varianten bis Produktionsende im Programm.

Damals war es durchaus üblich, dass exklusivere Autobauer ein „rolling chassis“, also Fahrgestell mit Motor und Kühlergrill sowie Zierteilen wie Radkappen usw. plus eventuell Kotflügel und Motorhaube, an einen Karossier nach Wahl des Kunden lieferte. Dieser fertigte dann die Karosserie nach Kundenwunsch an. Das konnte ein „Full Custom“, also ein vollständiger, nur einmal gebauter Aufbau sein oder der Kunde suchte sich aus dem Katalog des Karosseriebauers das gewünschte aus. Diese Methode liess fast unendliche Möglichkeiten der Individualisierung vom Lack über Polsterung, Ausstattung usw. zu. So ein „Semi-Custom“ kostete deutlich weniger als eine völlige Neuanfertigung.





1937 Bugatti Type 57 „Stelvio“, gebaut bei Gangloff.

(Quelle: RitzSite.nl)

Bugatti arbeitete meist mit Gangloff in Colmar zusammen, einem Ableger einer angesehenen Genfer Karosseriefirma. Es gab aber auch eigenständige Gangloff-Entwürfe – und Bugatti führte eine hauseigene Karosserie-Abteilung, der Ettore’s Sohn Jean vorstand. Ein Glücksfall. Was Ettore im Mechanischen war (und sein Bruder Rembrandt als Bildhauer - der hiess übrigens wirklich so), das war Jean Bugatti als Designer. Er hat zB das Coupé Napoléon und den (mittlerweile nachgebauten) „Esders“-Roadster auf dem Royale-Fahrgestell verwirklicht. Von ihm stammen unter anderem auch die zeitlos schönen Coupé / Cabrio vom Type 55 ( in den 80er/90er Jahren von De la Chapelle mit BMW-Technik nachgebaut) und die Coupés „Profilée“ und „Surprofilée“ auf dem Type 50.





1937 Bugatti Type 57 „Galibier“, gebaut bei Graber

(Quelle: RitzSite.nl)


Einige Galibier“ und „Stelvio“ sind auch bei anderen Carossiers entstanden, zB Bei Hermann Graber in Wichtrach (CH) oder bei Letourneur & Marchand. Type 57 wurden als Full Custom eingekleidet von Gangloff, Graber, Franay, Figoni & Falaschi, Anthem, James Young aus GB oder Van Vooren aus den Niederlanden um nur einige zu nennen. Oft steckte aber auch hinter solchen Kreationen der Zeichenstift von Jean Bugatti…


Bugatti Type 57 Chassis ; Bertelli open tourer ; Ventoux (Serie II, ev. « update»)

Da sind übrigens noch viele schöne Bugattis zu finden!


„Atalante“ und Type 57 S / SC
1935 schob Bugatti zwei Varianten nach: Den Roadster “Grand Raid” und das Coupé “Atalante“. Beide waren von Jean Bugatti gezeichnet.




1936 Bugatti Type 57 «Atalante »
(Quelle: RitzSite.nl)


Vom « Grand Raid » sind ca. 10 Stück gebaut worden. Es ist kein überlebendes Exemplar bekannt und gute Fotos fehlen ebenso. Dafür gibt es noch einige Atalante. Dieser sportliche Zweisitzer ist einer der schönsten Entwürfe von Jean Bugatti. Eine Option war ein Stoffdach, das in Schienen entlang den Holmen ins Heck gerollt werden konnte.





1937 Bugatti Type 57S „Atalante“, 2. Serie. Die integrierten Scheinwerfer sind eigentlich ein Merkmal der 3. Serie, wurden aber gerne an älteren Modellen nachgerüstet.
(Quelle: RitzSite.nl)


Und als vorerst einziges Modell der Reihe war er in einer „S“-Variante erhältlich. Das bedeutet je nach Lesart „Sport“ oder „surbaissé“ (tiefergelegt). Beides trifft zu. Der 57S hatte ein auf 2,98 m verkürztes Chassis. Die Hinterachse wurde zwischen Rahmen und Blattfedern geführt, was das Fahrzeug deutlich niedriger machte. Dazu kam etwas Mototuning (höhere Verdichtung und Stromberg-Doppelvergaser), was 175 PS @ 5500/min und eine Spitze von 190 km/h einbrachte. Dabei sass der Fahrer auf einem ultraflachen Sitz und hielt sich an einem Lenkrad fest, das auf einer ebenfalls extrem flach montierten Säule montiert war. Wer es noch extremer mochte, der bestellte gleich noch den Kompressor dazu und erhielt somit einen 57SC mit 210 PS @ 5500/min, gut für haarsträubende 200 km/h. Sehr wenige taten das denn bereits der Atalante mit 57S Paket kostete einen Drittel mehr als das normale Modell.

Der „Atalante“ verschwand zusammen mit dem SC- Paket 1938 aus dem Angebot. Aber nicht ohne vorher noch in ganz besonderes Feuerwerk gezündet zu haben...
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Beitrag #2 von chief tin cloud*RIP* » 10.11.2011, 12:27

Die für einen Bugatti sehr lange Produktionszeit von 1934 bis 1940 (und, nur wenig modifiziert, als Type 101 von 1949 bis 1956) brachte es mit sich, dass Verbesserungen in die Produktion einflossen. Man unterscheidet deshalb vom Type 57 drei Serien. Die erste, gebaut 1934-36, hatte frei stehende Scheinwerfer und senkrechte Lüftungsschlitze seitlich an der Motorhaube. Davon hatten wir es schon.




1937 Bugatti Type 57 „Galibier“ Série 2 (Quelle: RitzSite.nl)


Mit der Serie 2 wurde das Chassis verstärkt und der Motor wurde auf Gummi gelagert. Innen gab es ein neues Armaturenbrett mit mehr Instrumenten. Ausserdem wurden Nockenwellen, Ventilführungen und das Kurbelwellengehäuse verbessert und die Auspuffkrümmer wurden serienmässig für den optionalen Einbau eines Roots-Zentrifugalkompressors vorbereitet. Dieser blies die Leistung auf 160 PS @ 5000/min und die Spitze auf 180 km/h – ein Tempo, das auf den damaligen Strassen ohnehin kaum beherrschbar war. Das war eine unglaubliche Leistung des 3,3 Liter Motors und entsprach jener des Mercedes 500K (1934-34; 160 PS @ 3400/min).

Der Kompressor konnte ab Werk bestellt werden (Type 57C) oder wurde allenfalls auch später nachgerüstet. Auch Besitzer von 57ern der 1. Serie liessen solche Einheiten nachträglich installieren, doch war dann der Aufwand grösser.

Selbstverständlich modernisierte Jean Bugatti auch die Karosserien, was nicht allen Versionen gleich gut stand. Der Ventoux zum Beispiel wirkte schwer und weniger sportlich.




1937 Bugatti Type 57 Ventoux Série 2 (Quelle: RitzSite.nl)


Die Summe aller Qualitäten machten den Type 57 zum wohl besten „Grand Routier“ der Dreissigerjahre. Er war alltagstauglich im damaligen Sinn des Wortes und ermöglichte lange Reisen mit Komfort und Stil auch bei hohem Tempo. Seine Konkurrenten waren Delage, Delahaye, Talbot-Lago und Voisin im eigenen Land. Internationale Konkurrenten waren vor allem Bentley, die grossen Alvis und Sunbeam-Talbot aus Grossbritannien, natürlich Mercedes-Benz und Horch aus Deutschland oder aus Italien Lancia Astura und Alfa-Romeo 8C-2500. Nach dem Verschwinden des Stutz 1932 gab es in den USA nichts Vergleichbares mehr. Mit den Typen 46 „Petite Royale“ und 50 hatte Bugatti immerhin eine Alternative zu den massiven und bärenstarken Duesenberg in petto.




1935 Bugatti Type 57 Aérolithe (Quelle: RitzSite.nl)


Für den Type 57 war Ettores ältester Sohn Jean verantwortlich. Und der zeigte auf dem Pariser Automobilsalon 1935 und in London 1936 ein atemberaubendes Coupé auf dem Standard-Chassis des Type 57: Den Aérolithe. Basierend auf radikaleren Entwürfen zum Atalante diente dieses Coupé zum Ausloten der technischen Möglichkeiten und der Kundenresonanz. Beides war mehr als positiv und beides war erklärbar: Der Wagen ging über 200 km/h und am Salon verursachte er eine kleine Sensation. Die Geschwindigkeit war eine Folge der kompromisslosen Leichtbauweise: Das Auto bestand aus „Electron“, einer Magnesium-Aluminium-Legierung und Aufsehen erregte das puristische, moderne Design.

Kein Wunder also, dass eine Kunden-Version folgte (von „Serie“ zu sprechen ist fast vermessen). Sie erschien 1936 und hiess Type 57 Atlantic…

Atlantic
Der seltenste und exotischste aller Type 57 war ein ziemlich kompromissloser Sportwagen, der sich mit „strömungsgünstig geformtes Sportcoupé mit Fliessheck für 2 Personen“ nur höchst unzureichend beschreiben lässt. Mit seiner atemberaubenden Form ist der Atlantic längst in den Olymp der Automobilgeschichte aufgestiegen. Die Bedeutung des Designs ist vergleichbar mit jener eines Cord 810/812 oder dem ersten Ferrari GTO von 1960.




1936-38 Bugatti Type 57SC Atlantic mit Scheibenrädern und optionalen hinteren Radabdeckungen. (Ar-Chief).


Electron war für einen Kundenwagen viel zu teuer. Bugatti hatte aber noch andere Eisen im Feuer: Der Atlantic war grundsätzlich nur auf dem kürzeren Chassis des Atalante in der S-Version erhältlich (vgl. 1. Teil). Ob ihn Bugatti auch ohne Kompressor geliefert hätte entzieht sich meiner Kenntnis. Nur drei wurden gebaut und hatten alle einen ab Werk.

Die Karosserie war aus ganz gewöhnlichem Stahl gedengelt (obwohl ein Exemplar eine Vollaluminium-Karosserie erhielt). Jean Bugatti lieferte mit dem Atlantic sein letztes Meisterwerk ab: Am 11. August 1939 verunfallte er tödlich als er auf einer Landstrasse bei hohem Tempo einem Radfahrer ausweichen wollte und von der Strasse abkam. Er war gerade mal 30 Jahre alt.




1936 Bugatti Type 57SC Atlantic Chassis # 57591 (Besitzer: Ralph Lauren). Der Wagen war ursprünglich Bugatti-blau und hatte Speichenräder sowie die optionalen hinteren Radabdeckungen. Dieser Wagen gewann 1990 den 1. Preis am Concours d’Elegance in Pebble Beach, der andere 2003. (Ar-Chief).


Die Formgebung des Atlantic lässt sich verstehen wenn man sie als Antwort sieht auf den Talbot-Lago T150 SS "Goutte d'Eau" („Wassertropfen“; ein besonders extravagantes Coupé der Karossiers Figoni & Falaschi) oder den nicht minder auffälligen Coupés von Pourtout oder Letourneur & Marchand auf dem Delage D.8-120.

Charakteristisch für den Atlantic war die „Naht“, die über das ganze Dach bis zum Heck lief. Sie war nicht wirklich funktional und entstand weil die Karosserie aus zwei längsgeteilten Hälften bestand welche zusammengenietet wurden. Als Stilelement wurde sie vom Aérolithe übernommen, dessen Electron-Karosserie nicht geschweisst werden konnte und sie wiederholte sich auf den vorderen Kotflügeln.

Der Einstieg war unbequem weil das Cockpit buchstäblich ins Chassis „gehängt“ war. Das führte zu einer niedrigen Gesamthöhe aber zu sehr hoch liegenden Schwellern. Zum Ausgleich wurde die Tür ins Dach gezogen – nicht wirklich praktisch bei Regen oder Schnee…

Der Atlantic trug ein exorbitantes Preisschild und sah in der damaligen Zeit aus wie eines der UFOs die Orson Welles in seiner berüchtigten Radiosendung beschrieb. Das engte den Kundenkreis ein: Bereitgestellt wurden Teile für 6 Atlantic doch liessen sich eben nur 3 verkaufen. 2 davon existieren noch – kein Wunder, ist der Type 57 Atlantic heute eines der höchstgehandelten Veteranenfahrzeuge überhaupt.




Nachbau eines Bugatti Type 57SC Atlantic mit Bugatti-Technik (Quelle: RitzSite.nl)


Der Atlantic war einer der Supersportwagen seiner Zeit. Konkurrenzlos war er nicht; nachstehend die wichtigsten französischen Konkurrenten:





1938 Talbot-Lago T150SS Coupe "Goutte d'Eau" Figoni & Falaschi (Quelle: RitzSite.nl)



und noch extravaganter an dieser Version von 1937 mit verschalten Vorderrädern:






1938 Talbot-Lago T150SS Coupe "Goutte d'Eau" Figoni & Falaschi (Quelle: Conceptcarz)


Der T 150 und sein Nachfolger T26 waren 6-Zylinder mit 3986 resp. 4480 ccm. Von letzterem gab es auch eine Grand-Prix-Rennversion.


Delage ist ein anderer Traditionsname aus Frankreich. Die Firma ging 1935 bankrott. Konkurrent Delahaye erwarb die Namenrechte und legte exklusive Luxuswagen unter dem Label auf. Delahaye selber baute neben LKW und Feuerwehren selber luxuriöse Automobile, zu dieser Zeit den Type 135.





Scheunenfund aus den 90ern: Einer von nur 10 gebauten Delage D8-120 Aérosport von Letourneur & Marchand. Motor 8 Zylinder in Reihe, 4744 ccm, 115 PS. Das Auto ist Bestandteil der Petersen-Kollection in LA. (Quelle: Velocity)


Und der Vollständigkeit halber der Aérosport von Voisin:.





1937 Voisin C28 Aérosport (Quelle: bellesdantan.com)


6 Zylinder, 3,3 Liter. 14 Stück sind gebaut worden. Voisin bot auch eine Version mit 12 Zylindern in Reihe (!), 6 Litern Hubraum und 180-200 PS an. Nachdem schon der 6-Zylinder 100'000 Franc kostete (Delage D.8-120: 78'000 und Bugatti Type 57 Ventoux 82'000) ist nicht sicher ob einer tatsächlich gebaut worden ist.




Es überrascht auch nicht, dass es etliche Nachbauten auf dem 57er-Fahrgestell gibt, zum Beispiel von Erik Koux aus Dänemark. Er baute 1972 drei Stück mit Fiberglas-Karosserie nach und ab 1988 weitere fünf mit Alu-Karosserie. In GB baut fertigt Crailsville jede gewünschte Klassikerkarosserie in Blech nach. Mindestens ein Atlantic ist dort entstanden. Vor allem die Exemplare mit Metallkarosserie dürfen nicht mit „Replikas“ verwechselt werden die wir etwa vom Mercedes VW-Motor im Heck kennen. Sie übertreffen auch die nachgebauten Auburn Speedster mit moderner Ford-Technik. Jedes Detail an diesen Atlantic ist so wie es Jean und Ettore erdacht hatten. Verwendet wurden echte Type-57 Chassis und –Motoren, die auf SC-Standard gebracht wurden. Auch ein Fachmann kann sie nur anhand der Chassis-Nummer von Originalen unterscheiden. Die Preise für so ein Exemplar liegen höher als für manchen originalgetreu restaurierten 57er. Ach ja und ein reicher Brite liess sich den Aérolithe nachbauen…








1938-39 Bugatti T57SC Coupe Atalante im Musée Nationale de l’Automobile (Collection Schlumpf) in Mulhouse (Foto vom Autor)


Damals, in Zeiten einer weltweiten Wirtschaftskrise, fanden sich einfach zu wenig Käufer für derlei Extravaganzen. Deshalb verschwanden 1938 sowohl Atalante wie Atlantic samt dem SC-Fahrgestell aus der Modellpalette.
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Beitrag #3 von chief tin cloud*RIP* » 10.11.2011, 12:51

Bugatti musste – ebenso wie Talbot-Lago, Delage, Delahaye oder Voisin - einsehen, dass es für Supersportwagen wie den Atlantic und die kurzen SC-Modelle einfach keinen Markt gab. Also stellte man die Produktion 1938 ein und konzentrierte sich auf die Modellpflege für die übrigen Type 57 Modelle.

Mit einer kleinen Ausnahme: Ein 2-sitziges Cabriolet mit dramatischer Linienführung erschien Ende 1938 und war für das Jahr 1939 mit jedem Chassis erhältlich. Gedacht als Kombination von „Stelvio“ und „Atalante“ war es „nur“ ca. 10 % teurer als der „Stelvio“. Sehr wenige dieser „Aravis“ sind gebaut worden – zumindest einer davon als Coupé.




Hier irrt wohl Wikipedia: Gemäss Beschreibung soll dies ein Atlantic von 1939 sein. Abgesehen davon, dass es diese Variante 1939 nicht mehr gab und die Karosserie offensichtlich kein Atlantic ist gibt mir das Bild auch sonst Rätsel auf. Die Front erinnert sehr an die Serie 2. Neckisch ist die zweiteilige Stosstange. Jede Hälfte hat am dickeren Ende (zur Wagenmitte) eine Hupe integriert. Einiges spricht dafür, dass es sich um ein Coupe Atalante handelt. Wunderschön ist das Auto trotzdem…


Mit der 3. Serie, die Ende 1938 anlief, kamen wichtige und teilweise überfällige Verbesserungen. Endlich hielten hydraulische Bremsen Einzug. Das gewählte System von Lockheed hatte zwei Bremskreise. In Verbindung mit den neuen 350-mm-Bremstrommeln war die Verzögerung jetzt mehr als adäquat. Teleskop-Stossdämpfer von Allinquant ersetzten die André-Hartford-Dämpfer und das Cotal-Vorwählgetriebe wurde nun offiziell eine Werks-Option.

Die Lenkung war präzise und direkt und im 4. Gang liess sich der Type 57 von 15 km/h bis zur Höchstgeschwindigkeit beschleunigen. Mit dem Wegfall des kurzen S-Fahrgestells wurde allerdings der Charakter des „Grand Routier“ noch mehr betont als reine Sportlichkeit - auf langen Strecken über Land fühlte sich der 57er am wohlsten. Für sportliche Passfahrten waren die Gangwechsel etwas langsam und die Kupplung sehr hart. Der Motor lief kraftvoll und leise -mit Kompressor noch viel kraftvoller, dafür aber laut. Alles in allem machten diese Verbesserungen ein sehr gutes zu einem hervorragenden Auto.

Optisch war die 3. Serie vor allem an den Scheinwerfern sofort zu erkennen. Sie sassen nicht mehr freistehend vor dem Grill sondern waren nun in die Kotflügel integriert. Allerdings war dies wie der rundere Spitz-Kühlergrill der S-Serie ein Detail, das an vielen Type 57 der früheren Serien nachgerüstet wurde. Optisches Tuning ist eben keine Erfindung der „Generation Golf“!




Gut möglich, dass Wikipedia recht hat und dieser Atalante tatsächlich auf dem 57SC-Fahrgestell aufgebaut ist. Kühlergrill und Karosserielinien sprechen immerhin dafür. Dann hat er Baujahr 1937/38 – und nachgerüstete Scheinwerfer der Série 3.

Wie früher erwähnt, war der Motor des Type 57 eigentlich für einen Rennwagen bestimmt. Zu Beginn der T57-Produktion auch Rennen mit dem T57 Grand Raid (von den 10 gebauten Wagen ist keiner erhalten geblieben) gefahren.



1933 Bugatti T59 Grand Sport aus der Collection Ralph Lauren (Ar-Chief)

Das Werk bereitete einige Type 57S mit leichterem Chassis vor und verpflanzte den 300-400 PS starken Motor des Type 50B (4743 ccm) hinein. Darauf wurde eine aerodynamische aber ziemlich hässliche Ponton-Karosserie aufgesetzt. Das Ergebnis war der Type 57G „Tank“. Damit fuhr Bugatti Siege am GP von Frankreich 1936 (Jean-Pierre Wimille / Raymond Sommer) und an den 24 Stunden von Le Mans 1937 (Jean-Pierre Wimille / Robert Benoist) heraus. Zumindest in einer Strassenversion war dieser Motor ebenfalls verbaut. Die Bezeichnung war Type 57S-45. Ein Rennwagen 57S-40 mit etwas verkleinertem Hubraum war geplant, wurde aber nicht realisiert.



Bugatti T57C Grand Sport im Motor- & Technik Museum Sinsheim (Wikipedia)


1939 folgte eine Version mit„Tank“-Karosserie auf Basis des 57C mit der Jean-Pierre Wimille / Pierre Veyron 1939 noch einmal in Le Mans gewannen. Mit diesem Auto verunfallte Jean Bugatti kurz darauf während einer Testfahrt bei Duppigheim – nur 10 km vom Werk entfernt - tödlich.



1939 Bugatti Type 57C Franay Cabriolet für einen arabischen Potentaten (Wikipedia)


630 Type 57 hat Bugatti bis 1940 gebaut. Dazu kamen noch 40 57S (eine andere Quelle nennt 710 Stück total). Die meistverkaufte Variante war der Coach „Ventoux“, der manchmal mit der „Vutotal“ Frontscheibe ausgestattet wurde. Das patentierte System war von den Karossiers Letourneur & Marchand entwickelt worden. Es handelt sich um eine Konstruktion mit der eine Art Panoramascheibe ohne A-Säule in ein geschlossenes Fahrzeug eingebaut wird.



1937 Bugatti T57SC Gangloff Cabriolet Profilé. Ein wundervolles Einzelstück aus der Ralph Lauren Collection (Wikipedia)
Gangloff hat in ähnlichem Stil auch ein Coupé gebaut. Das existiert zwar nicht mehr - aber es wurde mit T57-Technik nachgebaut:




1935 Bugatti Type 57 Coupe Gangloff Replica (RitzSite)


Der Krieg beendete die Automobilproduktion bei Bugatti. Weil Ettore sich bereits während dem 1. Weltkrieg auf die französische Seite gestellt hatte (das Elsass kam nach dem Krieg 1870/71 zu Deutschland und 1919 wieder zu Frankreich) musste die Familie die Verhaftung gewärtigen und vor den anrückenden deutschen Truppen fliehen. Das Werk wurde annektiert und stellte Rüstungsgüter her. Im Krieg wurde es weitgehend zerstört. Ettore Bugatti führte einen erbitterten Kampf mit der französischen Regierung um die Rückgabe des Werks. Am 21. August 1947 verst
Sein Enkel Roland Bugatti versuchte die Marke wiederzubeleben. Der 1951 vorgestellte Type 101 entsprach weitestgehend dem Type 57. Einzig die Stromberg-Vergaser wurden durch solche von Weber ersetzt.



1951 Bugatti Type101 Coach Guilloré im Musée Nationale de l’Automobile (Wikipedia)

Nur 7 Bugatti 101 entstanden zwischen 1951 und 1956. Ein Versuch, mit den neuen Typen 251 und 252 an frühere Rennerfolge anzuknüpfen, scheiterte.
Letztlich scheiterte Bugatti aus dem gleichen Grund wie die anderen grossen französischen Marken: Unterfinanzierung, keine technische Weiterentwicklung, eine exorbitante Luxussteuer in Frankreich die den Binnenmarkt zerstörte und last not least die Grossserienproduktion wesentlich günstigerer Autos, die objektiv bessere Fahreigenschaften und gleiche Qualität boten.

Die Geschichte endet hier für mich. Man kann zwar die Namenrechte grosser Marken erwerben. Der Geist einer Marke und die Genialität der Männer dahinter gehören aber zu den Dingen, die weder ein Romano Artioli noch eine Volkswagen-Gruppe (die erst recht nicht!) kaufen können.




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