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Bucciali TAV8-32 Berline Sport Saoutchik 1930-32

Bemerkenswerte Klassiker weltweit
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chief tin cloud*RIP*
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Bucciali TAV8-32 Berline Sport Saoutchik 1930-32

Beitrag #1 von chief tin cloud*RIP* » 10.11.2011, 12:44

Wie war das noch gleich? Ihr wollt Eure Rods tief haben? Gaanz tief?



Aus einem Forum vor unserer Zeit habe ich einen gerettet, der ist sozusagen die Mutter aller Rods:



1930-32 Bucciali TAV8-32 Berline Sport, Karrosserie Saoutchik (ami-forum.ch / Ar-Chief / conceptcarz)




Nicht nur, dass dieses Einzelstück fast so tief sitzt wie ein Rat-Rod und bei einer Länge von sagenhaften 5791 mm niedriger ist als so mancher Top Chop. Auch die Geschichte dahinter ist so verrückt, dass sie ins US-Car-Forum passt, auch wenn dieses Auto in Frankreich gebaut worden ist.





Angelo Bucciali mit dem TAV-8, ca. 1932 (ami-forum.ch / Ar-Chief / conceptcarz)






1930-32 Bucciali TAV8-32 Berline Sport in Pebble Beach 2006 (ami-forum.ch / Ar-Chief / conceptcarz)


Unter dem Markennamen Buc bauten die Brüder Albert und Angelo Bucciali zwischen 1922 und 1932 in Frankreich eine Handvoll exquisiter Sport- und Rennfahrzeuge in kleiner Auflage. Angelo Bucciali hielt Patente zum Frontantrieb und wollte diese natürlich verwerten. Irgend etwas muss die beiden dann geritten haben: Das neue Auto sollte nicht „nur“ bloss FWD haben sondern schlicht das beste der Welt sein. Deshalb war ein V16 eigener Konstruktion vorgesehen. Der allerdings scheiterte als erstes an den harten Realitäten der Wirtschaftskrise. Das war insofern etwas peinlich als man die Premiere des neuen Autos namens TAV (Traction Avant; französisch für FWD) für den Pariser Automobil-Salon bereits angekündigt hatte. Es geht die Legende, dass Bucciali deshalb einen TAV ausstellte der anstelle eines Motors eine bemalte Holzkiste unter der versiegelten Motorhaube hatte…


Jetzt brauchte man einen anderen Motor für das Projekt. Naheliegend wäre ja gewesen, sich unter den zahlreichen Anbietern höchst luxuriöser Fahrzeuge umzusehen. V16 bauten Cadillac und Marmon in kleinen Serien und Peerless war dabei, einen zu entwickeln. V12 gab es reihenweise; der wohl extravaganteste stammte sogar aus Frankreich: Das Aggregat des Hispano-Suiza J12 (auch Tipo 68 aus spanischer Produktion) hatte immerhin 9,5 Liter Hubraum und brachte 200 Pferdchen kraftvoll aber seidenweich auf die Kurbelwelle. In den USA gab es V12 zB bei Cadillac, Packard, Lincoln (gleich 2) oder Auburn, in GB den Schieber-V12 des Daimler Double Six, in Deutschland den V12 von Horch. Unter den besten Motoren der Welt waren natürlich der dohc-Straight Eight von Duesenberg, die Kompressor-8er von Mercedes (500K und 770K zu dieser Zeit), die wundervollen Reihen-8er von Isotta-Fraschini und vom Lancia Astura aus Italien und die französischen Bugatti oder Delage. Cunningham baute, wie wir gesehen haben, einen wunderbaren V8. Die 6- und 8-Zylinder vom belgischen Minerva und die 6-Zylinder vom RR Phantom II oder Bentley 6- und 8 Litre waren nicht die modernsten aber höchst respektiert. Zum Beispiel. Stattdessen kauften sie einen profanen Reihen-8er von Continental für ihren 8. Prototyp (TAV-8) – ein Motor für die obere Mittelklasse.

Der TAV-8 ist tatsächlich der einzige der geplanten Superwagen, der je verkauft werden konnte. Ähnliche Erfahrungen machte übrigens auch Ettore Bugatti, der keine Käufer für seinen Royale fand weil selbst die begüterten und gekrönten Leute, die in Frage gekommen wären, Hemmungen hatten in so einem extravaganten Vehikel gesehen zu werden.

Als erstes wünschte der Käufer des TAV-8 einen Motor der für den repräsentativen Zweck auch wirklich angemessen war. Die Buccialis wurden schliesslich im eigenen Land fündig, bauten den Grosserienmotor wieder aus und einen V12-Schiebermotor vom Voisin C20 stattdessen ein.

Die Karosserie wurde bei Saoutchik in Paris komplett neu aufgebaut nachdem die vom Kunden ursprünglich bei Emile Guillet (immerhin einer der besten Adressen in Frankreich) bestellte (und montierte!) diesem dann doch nicht zusagte. Das einzige was übernommen wurde sind die stilisierten Störche seitlich an der Motorhaube.

Für die Restaurierung dieses Prachtstücks wurden über die ganze Welt verstreute Teile zusammengesucht (die Karosserie war schon in den Dreissigerjahren auf einen Bugatti gesetzt worden). Wesentliche Elemente mussten neu angefertigt werden.

Der TAV war das letzte Projekt der beiden Brüder. Ursprünglich vorgesehen war nicht nur ein gigantischer Fronttriebler – FWD allein war damals bereits eine absolute technische Pionierleistung, die nur ganz wenige Hersteller beherrschten. Meist entstanden leichte und Mittelklassefahrzeuge, so zB bei Grégoire und Tracta, (beide französische Kleinhersteller, letzterer scheiterte in Le Mans), DKW (und etwas später Adler) in Deutschland sowie in den USA Cord und Ruxton, beide mit gewaltigen Reihenachtern und problembeladenem Antrieb.




Eine zeitlos schöne Silhouette – und Art-Déco pur… (ami-forum.ch / Ar-Chief / conceptcarz)


Der V12 des TAV-8 ist eine Würdigung wert. Er war, wie alle Voisin-Konstruktionen, ein Schiebermotor. Diese ventillose Technik (ein kompliziertes System von Schiebern ersetzt die Ventile) brachte gute Leistungen bei unvergleichlicher Laufruhe und Geräuscharmut. Allerdings erforderte es diese Technologie, an die Grenze des damals metallurgisch Möglichen zu gehen. Jedenfalls leistete der 60°-V-Motor aus 3885 ccm zwischen 100 und 112 PS, je nach Quelle.

Für die Restaurierung war das die wohl grösste Herausforderung. Voisins Topmodell C20 ist an sich bereits eine Top-Rarität: Weltweit sind gerade noch 2 Stück bekannt. Ein solches Auto als „Spender“ zu nehmen war also ebenso illusorisch wie frevelhaft. Anscheinend ist es gelungen, einen Motor aufzuspüren. Damit gibt es also schon drei Voisin V12 in einem fahrbaren Auto…

Der TAV-8 wurde 2006 in Pebble Beach ausser Konkurrenz gezeigt – zusammen mit einem dieser beiden Voisin C20. Gesamtsieger dieser wohl renommiertesten Schönheitskonkurrenz überhaupt wurde in jenem Jahr ein englischer Daimler Double Six – mit Schieber-V12 und Sport Saloon Karosserie im Stil des TAV-8, nur eben einen Tick britischer...





Voisin C20 Coach „Milord“ in Pebble Beach 2006. Gabriel Voisin war mit vielen Avantgarde-Künstlern befreundet. Der Architekt Le Corbusier steuerte zu den „Werkskarosserien“ mehr bei als nur Impressionen. Die strengen Formen dieses Designs entsprechen der damals aktuellen „Bauhaus“-Architektur. (Ar-Chief)

Mittlerweile gibt es in Wikipedia einen Artikel zum TAV-32, den ein sehr geschätzter Kollege sehr genau recherchiert hat. Gegenwärtig läuft eine Auszeichnungskandidatur für diesen Artikel, und ich habe keinen Zweifel, dass er das Prädikat "Exzellent" erhalten wird.
Bild


ASK THE MAN WHO OWNS ONE

Es ist kompliziert.

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