Wir fahren fort mit dem 2. Teil der Geschichte von Chevrolet und erfahren wie die Marke zu einer der grossen Anbieter wurde - und warum eine komplette neue Serie eingestampft wurde.
Wir haben die Marke verlassen als es Durant 1916 gelang, erneut die kontrolle über GM zurückzugewinnen. Das Vehikel dazu war Chevrolet. Die Gewinne daraus investierte er in GM-Aktien - und hatte, sehr zum Missfallen etlicher Banker und Manager - plötzlich wieder das Sagen. Das Präsidium übernahm er wieder selber, Charles Nash, seinen Vorgänger, warf er ziemlich brüsk aus dem Unternehmen (die beiden kannten sich schon seit Durant's Kutschen-Zeiten und Durant hatte ihn zuvor zu Buick gebracht; deshalb betrachtete er offenbar Nash's Verbleib in der Firma als illoyal). Nash erledigte jedoch einen brillanten Job. Ohne seine Sanierungsmassnahmen wäre GM möglicherweise nicht zu retten gewesen. Er ging zwar als reicher Mann von GM weg aber auch voller Bitterkeit. Diese Erfahrungen waren für ihn ausschlaggebend, sich nie wieder anstellen zu lassen. Er kaufte die Thomas Jeffery Company und machte daraus, wie wir bereits wissen, seine eigene Marke Nash.
Das Modell H war in seinem letzten Jahr. Der "Amesbury Special" (H-3) hiess nun "Torpedo Roadster" und der 490 stand im ersten vollen Verkaufsjahr. Obwohl dieser vom Ford T deutlich unterboten wurde im Preis und nur als dreitüriger Touring (ohne Fahrertür) erhältlich war, verkaufte er sich dennoch hervorragend.
Chevrolet 490 5-pass. Touring; 4 Zylinder, 170.9 c.i. (2801 ccm), 24 HP, Radstand 102 Zoll = 2591 mm. In diesem Jahr erhielt auch der Ford T eine lackierte Kühlermaske. (TOCMP)
1917 wurde der 490 ergänzt mit einem Roadster ($535) und einer Hardtop-Version des Touring ($625). Diese sog. "California Tops" waren mit 2 Mann abnehmbar und boten im Winter mehr Wetterschutz. Der Touring kostete $550. Das Modell F ersetzte den H. Im Prinzip war es das gleiche Auto mit dem Motor des 490 aber mit einen um 2 Zoll längeren Fahrgestell (Radstand 108 Zoll = 2692 mm). Die Bezeichnungen "Royal Mail" (F-2) und "Baby Grand" (F-4), der Preis betrug je $875. Als Topmodell wurde das Modell D (V8) eingeführt. Dessen Geschichte haben wir im Adventskalenderfred 2009 behandelt.
1917 Chevrolet Modell D-5 V-8 5-pass. Touring. ohv-V8, 288 c.i (4720 ccm), 55 HP @ 2700/min, Radstand 120 Zoll = 3048 mm (howstuffworks)
Der V8 wurde bis 1920 gebaut, der F als FA (1918) und FB von 1919-22. Ab 1818 begann die General Motors Research Corp., eine GM-Tochter unter der Leitung von Charles F. Kettering, an einem Nachfolgemodell zu arbeiten das sowohl den 490 wie auch den FB ersetzen sollte. GM stellte hohe Anforderungen an dieses Auto: Der Nachfolger sollte ein leistungsfähiges, leichtes, günstig herzustellendes und zu unterhaltendes Triebwerk bekommen.
Ketterings Antwort war ein luftgekühlter Motor. Dadurch liess sich zum einen doppelt Gewicht sparen: Der Motor wurde leichter u. a. weil er weniger bewegliche Teile benötigt und das Kühlsystem mit Kühler und Schläuchen entfällt ebenfalls. Weniger Teile führen zu einfacherem Unterhalt und obendrein gibt es kein Wasser, das im Winter gefrieren kann. Luftkühlung an sich war nichts Revolutionäres - Franklin zum Beispiel baute seit 1902 erfolgreich ausschliesslich solche Autos - aber Kettering schlug einen neuen Weg ein. Der Motor sass hinter einer konventionellen Kühlermaske mit Luftschlitzen. Zur zusätzlichen Kühlung gab es ein grosses Gebläse. Vor allem aber erhielt der Zylinderblock Kühlrippen aus Kupfer, das Wärme 10 Mal besser leitet als Gusseisen. Dies führte auch zum Modellnamen: "Copper Cooled". Damit wollte man sich auch vom konventionellen "Air Cooled" abheben obwohl das Prinzip natürlich das gleiche ist.
1921 Chevrolet Datenblätter (49 und FB) (TOCMP)
1920 musste Durant erneut seinen Sessel räumen und gründete im folgenden Jahr sozusagen GM neu und nach seinen Ideen. Die Firma hiess Durant Motors und hielt bis 1931. Aber das ist eine gaaaanz andere Geschichte...
Das "Copper Cooled" Triebwerk wurde am New York Salon 1920 erstmals der Öffentlichkeit präsentiert. GM plante nach der Markteinführung im Chevrolet eine grössere Version des Motors für die Mittelklasse-Marke Oakland (aus der später Pontiac hervorging). Dort erhielt man daher im Herbst 1921 Ketterings Testfahrzeug für weitere Versuche. Das Ergebnis war derart desaströs, dass Oakland sich eiligst vom Programm zurückzog.
Was dann geschah lässt sich zum einen erklären mit dem Festhalten des Präsidenten der Gesellschaft, Pierre duPont (ja, der mit den Farben; er hielt 43% der GM-Aktien und war einer Hauptbeteiligten an Durants erneutem Rauswurf) am Prinzip der Luftkühlung und zum anderen mit Ketterings damals schon phänomenalem Ruf als Ingenieur und Erfinder. Schliesslich hatte er 1909 zusammen mit einem Partner die Dayton Engineering Laboratories Company gegründet (abgekürzt DELCO) und dort die elektrische Zündung, die elektrische Beleuchtung und den elektrischen Anlasser entwickelt und serienreif gemacht. Vor allem letzterer gab dem benzingetriebenen Auto den entscheidenden Vorteil gegenüber Elektro- und Dampfautos.
So jemandem fährt man ungern in die Parade. Zwar hatte Alfred P. Sloan, Chef des GM-Beraterstabs und dann langjähriger Firmen-Präsident, frühzeitig Bedenken angemeldet, Kettering setzte sich jedoch dank seiner und duPonts Autorität durch. Und Oldsmobile meldete Interesse an...
1923 Chevrolet Series M "Copper Cooled" Utility Coupé. 4 Zylinder (ohv, luftgekühlt), 134.7 ci ( 2212 ccm), 22 HP @ 1750/min, Radstand 103 Zoll = 2616 mm, NP 800$. National Automobile Museum (Harrah Collection), Reno NV. (howstuffworks.com und remarkablecars.com)
Immerhin war das Management so vorsichtig, parallel zum "Copper Cooled" einen konventionellen Wagen zu entwickeln mit der Option, ganz auf die Luftkühlung zu setzen wenn die Erwartungen erfüllt wurden. Beide Modellreihen teilten sich das Fahrgestell (103 Zoll oder 2616 mm Radstand) und die Karosserien. "Copper Cooled" kosteten etwa 200$ mehr als das Parallelmodell "Superior" Series B und lagen damit bei ca. 700 - 1'000$. Es gab ein Dreiganggetriebe, Konuskupplung und Aussenbandbremsen für die Hinterräder (Vierradbremsen erschienen in dieser Klasse erst nach 1927). Äusserlich lassen sie sich vom Superior unterscheiden durch die schwarz lackierte Kühlermaske mit ebensolchen, horizontalen Lamellen ("Superior": vernickelt und "Wabenkühler").
1923 Chevrolet Model B "Superior" Touring. 4 Zylinder, 170.9 ci (2801 ccm), 26 HP @ 2000/min, Radstand 103 Zoll = 2616 mm (remarkablecars.com)
Der "Superior" war ein leicht überarbeiteter 490. Der Vierzylinder- ohv-Motor (170.9 ci = 2801 ccm, 26 HP @ 2000/min) war praktisch unverändert übernommen worden und bereits recht betagt. Dem gegenüber stand der neue Copper Cooled ohv-Vierzylinder mit der Luftkühlung. Er leistete 22 HP @ 1750/min aus 2.212 ccm (135 ci) und wog mit 680 bis 852 kg je nach Aufbau respektable 100 kg weniger. Beide waren als Roadster, Coupé, 4-door Touring, 2-door Coach (Sedan) und 4-door Sedan erhältlich. Chevrolet stellte einen Copper Coled Series M 2-door Sedan am New York Salon im Januar 1923 aus und erhielt ermutigende Reaktionen.
Die Produktion sollte im Februar mit 1'000 Copper Cooled anlaufen und bis Oktober auf 50'000 Stück hochfahren. Jetzt tauchten Probleme auf. Die Motoren waren schwierig herzustellen wobei die Verschweissung der Kupferrippen mit dem Gusseisen-Motorblock besondere Probleme bereitete. Anfang Mai waren gerade mal 759 Copper Cooled fertiggestellt. Nur 500 wurden an die bereits ungeduldigen Händler ausgeliefert, der Rest wurde gleich wieder eingestampft oder im Werksbetrieb verwendet.
Doch das war erst der Anfang der Katastrophe: Nun zeigte sich, dass die Motoren Leistung verloren wenn sie heiss gelaufen waren - und zu Überhitzung neigten weil die hinteren Zylinder unzureichend gekühlt wurden. Zu diesem Zeitpunkt waren bereits 100 Exemplare an Endkunden gelangt und 300 standen bei Händlern. Inzwischen hatte sich auch Oldsmobile aus dem Projekt ausgeklinkt und GM zog - viel zu spät - die Notbremse.
1923 Chevrolet Model B "Superior" Sedan zu $860. (Ar-Chief)
Im Juni 1923 rief Chevrolet alle "Air Cooled" zurück. Den Kunden, die bereits ein Auto erhalten hatten, machte man so vorteilhafte Angebote, dass sie ihre "Copper Cooled" gerne zurück verkauften. Es wurde darauf geachtet, dass ausser den im Werk eingesetzten Wagen alle zerstört wurden. Kettering bot seinen Rücktritt an und wurde von Sloan, inzwischen Nachfolger von duPont, überredet, zu bleiben. Eine weise Entscheidung. Im Laufe seiner langen Mitarbeit bei GM erhielt Kettering insgesamt 140 Patente. Unter seiner Leitung entwickelte GM verbesserte Motorenöle, Aethyl als Treibstoff, Stossdämpfer, ein variables Getriebe, Sicherheitsglas, Freon als Kühlmittel für Klimaanlagen und Duco-Lacke durch welche die Produktionszeit für Automobile wesentlich verkürzt werden konnte. Er entwickelte Dieselmotoren und leistete Pionierarbeit in Solartechnik. Er entwickelte ausserdem "Delco Plant", bestehend aus einem motorgetriebenen Generator und einem Batterien-Satz für abgelegene Farmhäuser ohne Stromanschluss und sogar einen Inkubator für Frühgeborene. Nach dem Ende seiner Karriere 1947 gründete er mit Alfred Sloan eine Stiftung, die bis heue Grundlagenforschung in der Krebsbekämpfung leistet. Kettering verstarb 1958.
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Chevrolet Teil 2 (1916-23)
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Es ist kompliziert.
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