Als die Dodge Brüder 1919 ihren ersten in Serie gebauten Sedan mit Ganzstahlkarosserie (gebaut bei Budd) vorstellten, löste dies einen Trend aus der weg von Holz als tragenden Komponenten führte. Diese Entwicklung war bereits Ende der 1930er Jahre praktisch abgeschlossen. Stahlpressen, die auch grosse und komplizierte Teile mit Schnelligkeit und Präzision herstellen konnten, wurden breiter verfügbar und liessen dank tieferen Preisen mehr Nischenmodelle zu. Die letzten tragengenden Holzteile im Serienwagen verschwanden Mitte der 1930er Jahre als GM sein „Turret top“ Design mit Ganzstahldach auch für den Sedan einführte. Der Cord 812 dürfte der letzte Sedan gewesen sein, dessen Dach in einzelnen Segmenten gepresst wurde welche dann mühsam und mit viel Handarbeit verschweisst wurden.
1924 Dodge Series 116 Cantrell Suburban Station Wagon. Cantrell war Marktführer für Depot Hacks und Station Wagon und belieferte Dodge-Händler auch mit Montage-Kits. (Ar-chief)
Abgeleitet von der traditionellen Methode ist das Weymann-System, bei dem das Holzgerippe mit patentierten Verbindungen zusammengehalten wird. Dieses wird mit einem textilen Material bezogen. Vorbild war natürlich der Fluzeugbau. Das Ergebnis ist ein besonders leichter und gegenüber Knarr- und Quietscheräuschen unempfindlicher Aufbau. Die letzten Weymann-Aufbauten, etwas für Stutz oder Duesenberg, hatten ebenfalls eine Blechhaut. Wie robust solche Karosserien sein konnten, bewiesen zahlreiche Hersteller die sie erfolgreich auf Rennfahrzeugen einsetzten. Prominent zu nennen sind hier die siegreichen Bentley Le Mans-Renner zwischen 1926 und 1930 oder der Bugatti Type 50C, der ebenfalls in Le Mans zum Einsatz kam.
Ähnlich funktionieren auch die „Superleggera“ Aufbauten der Carrozzeria Touring oder Gitterrohrkonstruktionen wie die „Bird cage“ (Vogelkäfig) Karosserien von Maserati. Ganz verschwunden ist strukturelles Holz freilich nie. Bis in die 1960er Jahre entstanden so manche Rolls-Royce und Bentley. Sogar heute noch werden einige Kleinserienwagen mit einer Holzstruktur unter der Blechhaut geformt. Prominentestes Beispiel dafür ist der Morgan.
Typischer Wagon: 1940 Packard One-Ten Station Sedan Series 1800. Der Aufbau wurde von Hercules geliefert und war auch für den One Twenty erhältlich. (Ar-chief)
Eine weitere Unterform war der „Woodie“. Eine ganze Reihe Hersteller baute solche Fahrzeuge. Kombis waren ein Nischenprodukt, für das sich auch besser verfügbare Maschinen nicht automatisch rechneten. Eine Nische in der Nische war der luxuriöse Transporter, den der reiche Gentleman an seinem Zweitwohnsitz auf dem Land unterhielt um Personen und Waren vom Bahnhof abzuholen. Mit dem billigen „Depot Hack“ hatten diese Fahrzeuge nichts zu tun. Sie entstanden in Kleinserien oder gar als Einzelanfertigung, oft auch als nachträgliche Umkarossierung. Etwas grössere Stückzahlen erreichten Packard, Nash und Studebaker. Andere Karosserien als Station Wagon boten serienmässig nur Ford / Mercury und Chrysler an. Letztere sollen unser heutiges Thema sein.
1941 Chrysler C-30 Town and Country (Ar-chief)
Auf Anregung von General Manager Dave Wallace brachte Chrysler 1941 einen „Woody“ Station Wagon als Sechs- oder Neunsitzer heraus und nannte ihn Town and Country. Anders als die kantigen Kisten, die man mit dieser Fahrzeugart sonst in Verbindung bringt, hatte der T&C ein stark gerundetes Heck das aus einer horizontal geteilten Hecktür bestand. Allerdings liess sich nur der untere Teil öffnen, die Heckscheibe blieb samt dem Stahldach stehen, in das sie eingelassen war. Diese etwas spezielle Lösung ergab sich, weil Chrysler den Windsor Six als Basis nahm und das Dach der 8-sitzigen Imperial Limousine verwendete. Damit ist der T&C der erste serienmässige Stahldachkombi und möglicherweise der erste Hatchback Sedan, je nachdem, wie man das Heck interpretieren will. Der erste überhaupt ist er nicht. Auf Bestellung lieferte Packard den (Eight) One Twenty oder Super Eight in ähnlicher Form, allerdings in Handarbeit. Serienmässig war der seitengesteuerte Motor mit der FluiDrive Halbautomatik und Vacuumatic Schalterleichterung ausgestattet. Die Verarbeitung und die Ausstattung waren erstklassig.
Das Vorgehen hatte sich gut genug bewährt um für 1942 kopiert zu werden. Mit einem kleinen Unterschied: der Achtzylinder war nun der New-Yorker Reihe angegliedert, erhielt also eine etwas bessere Ausstattung. Die Bezeichnungen sind C-34 (Windsor Six) und C-36 (New Yorker).
1942 Chrysler C-34 Town and Country Six (conceptcarz)
Dies ist einer der letzten vor demkrieg produzierten Chrysler. Es ist ein extrem seltener C-34 Town and Country Six im "blackout trim", wie er ab Januar 1942 von der regierung vorgeschrieben wurde um seltene Materialien zu sparen. ÜBLICHERWEISE verchromte Teile wurrden seidenglanzschwarz lackiert. Hier sind bei der Restaurierung andere Farben (silber und rot) verwendet worden. (conceptcarz)
Bevor die Produktion Anfang 1942 endete, waren immerhin knapp 1000 Exemplare in jedem der beiden Modelljahre entstanden.
1946 Chrysler Town and Country Convertible (Ar-chief)
Anders als andere Vorkriegsvarianten wie etwa Phaeton oder Convertible Sedan, erschien auch der T&C, gleich nach dem Krieg wieder. Die Gründe sind einleuchtend: Die ersten Jahre nach dem Krieg waren geprägt von einem ungeheuren Nacholbedarf - über drei Jahre war kein Auto an Privatpersonen verkauft worden. Fast alles liess sich verkaufen - zu einem guten Preis weil es zT Wartelisten für Neuwagen gab. Dazu kamen anhaltende Rationierungen von seltenen Materialien, Arbeitskonflikte mit teilweise langen Streiks und vieles, was zuvor kriegswichtig war, stand nicht sofort und in ausreichender Menge zur Verfügung. Stahl zum Beispiel war umkämpft und entsprechend teuer. "Friedenschrom" war ein anderes Stichwort und die mindere Qualität der Beschläge sprach sich schnell herum. Auch diese Probleme sind auf die Rohstoffknappheit zurückzuführen.
1946 Chrysler Town and Country Sedan (Ar-chief)
Natürlich war der T&C kein Volumenmodell. Chrysler brachte ihn aber relativ schlank durch die Produktion weil er deutlich weniger Stahl benötigte. Er brachte einen guten Preis - und er brachte Publicity für die "aufgewärmten" 1942er Modelle. Allerdings gab es nun keinen Station Wagon mehr, dafür ein Convertible und ein Sedan. Ausserdem entstanden 1946 sechs Hardtop Coupés – gerade genug um GM das erste serienmässige Hardtop (Cadillac Coupé de Ville, 1948) streitig zu machen. Alle Mopar wurden von 1946 bis Anfang 1949 nahezu unverändert gebaut; die Sechszylinder Royal und Windsor als C-38, die Achtzylinder Saratoga und New Yorker als C-39 und der Imperial als C-40. Der Town & Country war nun ein Modell der New Yorker Baureihe (C-39-N) mit 127.5 Zoll Radstand (3238 mm) und dem Achtzylindermotor mit 323 ci (5301 ccm) Hubraum und 135 HP @ 3200/min. Nur bis 1947 verwendete Chrysler echtes Mahagoni für die Paneele; danach wurde Di-Noc Folie verwendet. Das war die Geburtsstunde der "Holztapete". Der Rahmen blieb aber aus Eschenholz. Der Anteil an Handarbeit, insbesondere am schwierig zu bauenden Cabrio, erlaubte nur einen Ausstoss von 10 Autos täglich. Der Sedan lief 1948 aus.
1947 Chrysler Town and Country Convertible (Ar-chief)
T&C 1946: 2159 Expl.; davon 1935 Convertibles.
T&C 1947: 5787 Expl.; davon 3136 Convertibles.
T&C 1948: 4484 Expl.; davon 3309 Convertibles.
1950 Chrysler Town and Country Newport Hardtop, erste Ausführung (Ar-chief)
1950 Chrysler Town and Country Newport Hardtop, zweite Ausführung (Ar-chief)
Die Nachfolger erschienen mitten im Modelljahr 1949 weshalb der Vorgänger als Modell 48 gerechnet wird. Auch diese Generation war zum Entsetzen der Designer so konstruiert, dass der Fahrer den Hut aufbehalten konnte. So sahen sie auch aus...
1949 Chrysler Town and Country Convertible (Wikipedia)
Die Sechszylinder Royal und Windsor erhielten den Code C-45, die Achtzylinder Saratoga und New Yorker C-46 und der Imperial C-47. Der Town & Country war zeitweilig ausschliesslich als New Yorker C-46N erhältlich obwohl ein einzelner Prototyp eines Hardtops gebaut wurde und einige Prospekte ein solches listeten. Der Radstand war auf 131.5 Zoll (3340 mm) angewachsen; der 323er blieb unangetastet. Frühe Exemplare erhielten die Di-Noc-Folie, während dem Produktionslauf wurde sie weggelassen.
1950 Chrysler C-49N Town & Country Newport Hardtop (Wikipedia)
Es scheint, dass das Convertible im Modelljahr 1950 nicht mehr angeboten wurde. Weil das T&C Newport Hardtop erst am 23. Mai 1950 eingeführt wurde, gab es zeitweise keinen T&C.
1950 entstanden 1399 T&C. Das ist vermutlich die Zahl für das Kalenderjahr, enthält also auch einige 49er Convertibles. Gefühlt 700 T&C Newports und ein Station Wagon wurden im MJ 1950 gebaut. Newport war zeitweilig die Bezeichnung für Hardtops ehe eine eigene Baureihe so genannt wurde.
Kein T&C: 1950 Chrysler C-45S Royal Station Wagon (Ar-chief)
„Reguläre“ Woody-Station Wagon, die nicht der Town & Country Reihe zugerechnet werden, gab es als C-45S Royal ab 1949; Schwestermodelle boten auch Plymouth und Dodge an. Im gleichen Jahr erschien auch der erste Ganzstahlkombi Plymouth Suburban.
Der T&C starb, weil immer weniger Kunden bereit waren, ihr auto so aufwendig zu pflegen wie ein Motorboot. Zudem schwand mit dem echten Holz das Alleinstellungsmerkmal der Reihe und Chrylser brauchte den T&C auch als Imageträger nicht mehr. Der Name kommt aber immer wieder mal vor. Aber das ist eine gaaaanz andere Geschichte...
Town & Country Christmas 1946 (Ken Eberts)
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