Der erste Packard entstand 1899, der letzte 1958. Von 1904 bis 1954 hiess die Firma Packard Motor Car Corp. und hatte ihren Sitz am East Grand Boulevard in Detroit. 1954 übernahm das Traditionsunternehmen die weitaus grössere Firma Studebaker (mit Wurzeln, die bis 1856 zurückreichen) und formierte die Studebaker-Packard Corporation. Bis 1956 fertigte man - neben einer Unmenge Rüstungsgüter - Studebaker PW und Trucks, Packard PW und - nur 1956 - den Clipper PW. Ausserdem hatte sie zu dieser Zeit den Alleinvertrieb von Mercedes-Benz in den USA und ganz kurz auch den von Facel-Véga.
Das Packard-Programm für 1956 sah wie folgt aus:
1956 Packard Caribbean: Das Topmodell, Convertible und Hardtop. (Quelle: conceptcarz)
1956 Packard. Der Sedan hiess Patrician, das hier abgebildete Hardtop 400. Speichenräder optional. (Quelle: conceptcarz)
Nachgeschoben: Packard Executive auf Basis des Clipper Custom. Sedan und Hardtop (Quelle: Ar-Chief)
Erstmals (und nur für ein Jahr) eine eigene Marke: 1956 Clipper. Baureihen Deluxe, Super und Custom, jeweils mit einem Sedan. Super und Custom ausserdem ein Hardtop. Der Custom wurde im 1956 durch den Packard Executive ersetzt.Abgebildet: Custom Constellation Hardtop. (Quelle: Wikipedia)
Diese Übernahme war jedoch schlecht vorbereitet. Erst hinterher zeigte sich, wie marode Studebaker tatsächlich war. Im Juni 1956 war der Konzern pleite. Der einzig mögliche Deal um einen Totalverlust zu vermeiden war die Übernahme durch den Rüstungskonzern Curtiss-Wright. Der war auf der Suche nach einem Abschreibungsobjekt aus Steuergründen - und nutzte die Chance, einen lästigen Rivalen im Rüstungsbereich (vor allem Flugzeugmotoren) auszuschalten. Ausserdem hatte C-W das Düsenzeitalter verschlafen. Und Packard hatte ein Jet-Triebwerk in der Erprobung...
S-P seinerseits verkaufte seine Seele im Gegenzug für Arbeitskapital.
1957 Packard Clipper Town Sedan (Quelle: conceptcarz)
1957 Packard Clipper Country Sedan (Station Wagon) (Quelle: conceptcarz)
Die Folgen waren gravierend: Die Packard-Produktionsanlagen am East Grand Boulevard in Detroit, bezogen 1904 und das älteste Industriegebäude aus armiertem Beton der USA (Architekt: Albert Kahn) wurden aufgegeben (heute noch eine gern fotografierte Industrieruine). Packards für 1957 basierten auf dem Studebaker President. Es gab nur noch einen Packard Clipper Town Sedan (4dr Sedan) und Country Sedan (4dr Station Wagon) mit 289 ci und McCullough-Zentrifugalkompressor, der Studebaker-Topmotorisierung dieses Jahres mit 275 HP (exakt so viel wie Clipper Custom / Packard Executive des Vorjahres). Weil die "Packardbaker" wesentlich leichter waren als die 56 Packard / Clipper hatten sie (noch) bessere Fahrleistungen. Und weil der Stude-Smallblock an sich schon deutlich leichter war als der Packard-Brocken (352 und 374 ci; konstruiert bis 500 ci) war auch die Fahreigenschaften überlegen, vor allem wenn das 1956 eingeführte Sperrdiff geordert wurde. Allerdings war ein solcher Clipper für den früheren Käufer eines Executive, Patrician Sedan, Four Hundred Hardtop oder gar Caribbean Convertible und Hardtop keine Alternative. Diese Käufer wandten sich künftig an Cadillac, Lincoln oder Imperial.
1957 Packard Clipper Country Sedan (Station Wagon) (Quelle: conceptcarz)
Edler Spender: Der 57er Studebaker (hier das mittlere Modell Commander) lieferte die Basis für den Packard (Quelle: conceptcarz)
Das Styling des 57er Clipper wurde bewusst möglichst an jenes der 56er Modelle angeglichen. Bei der Grundstruktur ging das natürlich nicht. Aber die Stosstangen und der Seitenchrom wurden optisch angepasst und das Auto erhielt zahlreiche Details die dem Käufer eines 56er bekannt vorkommen mussten.
Die Kühlerfigur stammt vom Packard Patrician / 400 / Executive des Vorjahres, der vergoldete "Packard"-Schriftzug vom Senior-Modell. (Quelle: conceptcarz)
Mit ohne vergoldet genauso am 56er Clipper zu finden: Logo. Die Schlusslichter wurden ebenfalls übernommen - und passten sogar noch 1958. (Quelle: conceptcarz)
Armaturenbrett des 57er Clipper. Das Layout musste angepasst werden, das Gittermuster erinnerte an das Vorjahr. Die Instrumente sind 56er Clipper/Executive, die Schalter Packard. Das Lenkrad passt auf 56er Modelle. (Quelle: conceptcarz)
Für Studebaker-Packard war 1958 ein Jahr des Facelifts, für die Marke Packard das letzte Produktionsjahr ihres Bestehens.
Besser wurde nichts, vor allem nicht die Verkäufe. S-P Standard-Modelle behielten die Grundstruktur, bekamen aber neue, leichtere Dächer (die an Chrysler erinnern). Um dem Trend zu Doppelscheinwerfern folgen zu können wurden Ausbuchtungen vorne am Kotflügel angebracht. Diese und zahlreiche weitere Karrosserieteile (zB die Heckflossen der Packard Standard-Modelle) waren aus Fiberglas weil Blechformen zu teuer gewesen wäre. Dies war die erste industrielle Nutzung von Fiberglas für das Facelift eines Serienwagens. Not macht erfinderisch...
1958 Studebaker President Speedster (Quelle: conceptcarz)
1958 Packard 2-door Sport Coupe (58L-Y8) (Quelle: conceptcarz)
Wie sehr Packard zum ungeliebten Anhängsel geworden war zeigt sich aus der zwar breiteren aber noch liebloseren Modellpallette: Neu gab es den Packard Sedan (58L-J8), 2dr Sport Coupe (Hardtop; 58L-Y8), Station Wagon (58L-P8) und Hawk (58LS-K9). Der Kompressor war nur noch beim Hawk Standard. Somit sank die Leistung der anderen Modelle auf 225 HP.
Neckisches Detail: auf die andeuteten Heckflossen der 57er-Grundform wurde eine zweite Flosse aus Fiberglas draufgesetzt. Das Schlusslicht der 56-57er Modelle konnte weiter verwendet werden. Zumindest wurde eine völlig neue Optik erreicht die sich auch vom Studebaker deutlich unterschied. (Quelle: conceptcarz)
Der seltenste mit nur 159 gebauten Exemplaren war der Station Wagon. Nicht wesentlich verbreiteter war das Topmodell Hawk mit gerade mal 588 Verkäufen. Dies war wenig verwunderlich. Für $3,995 erhielt der Käufer ein Hardtop Coupé, das auf den ersten Blick als Klon des Studebaker Golden Hawk erkenntlich war. Während aber dieser ein ausgewogenes, elegantes Design von Raymond Loewy trug bot der Packard die exakt gleiche Ausstattung (Leder Standard) und, naja, "spezielle" Designelemente. Die Front hatte praktisch keinen Chrom (1958!!!) und war zur Stosstange heruntergezogen wo sie sich sich zu einem "Staubsauger-Maul" öffnete. Dafür zierte die Motorhaube ein falscher Lufteinlass und die Kotflügelspitzen ein eigenartiges Begrenzungslicht. Der Kofferdeckel erhielt einen eingeprägten "Toilettensitz" à la Imperial. An den Türen unter den Scheiben war eine Kunstlederaufnahme eingearbeitet welche das Abstützen der Ellenbogens bei geöffnetem Fenster bequemer machen sollte. Die Heckflossen waren goldfarben abgesetzt. Ein wesentlicher Unterschied zum Golden Hawk: Der war mit $3,282 über $700 günstiger. Den Silver Hawk gab es sogar schon ab $2,353.
1958 Studebaker Silver Hawk (mit B-Säule) und Golden Hawk Sport Coupe (Hardtop) (Ar-Chief)
Es hat den Anschein, dass die einzige Existenzberechtigung der 58er Packard darin bestand, die Werksauslastung im Stammwerk South Bend IN etwas zu verbessern. 1959 war der neue kompakte Studebaker Lark fertig. Für ihn wurden die Kapazitäten des Packard benötigt und dieser sang- und klanglos eingestellt.
Studebaker oder Curtiss-Wright allein die Schuld am Niedergang von Packard zu geben wäre wohl trotzdem verfehlt. Selbst Packards krasser Managementfehler, die Bücher des Übernahmekandidfaten nicht genau genug geprüft zu haben, hat das Ende nur beschleunigt. Nachdem eine geplante Fusion mit AMC schon früher nicht zustande gekommen war blieb als einzige Möglichkeit das Zusammengehen mit Studebaker. Ein Alleingang wäre für Packard genauso tödlich gewesen weil dazu schlicht die Grösse fehlte.
1958 Packard Hawk Sport Coupe. Das Armaturenbrett entspricht dem Studebaker Golden Hawk. Die Instrumentierung umfasst auch eine Druckkontrolle für den Kompressor (Ar-Chief)
Bis 1962 Blieb der Name Studebaker-Packard Corp. erhalten. Der Name Packard - und damit die Hoffnung auf eine Wiederbelebung - wurde erst 1962 entfernt.
Die "allerallerletzten" Packard wurden übrigens 1959 gebaut: Ein Importeur aus Südamerika bestellte 50 Studebaker Pickups und bestand darauf, dass man den Namen "Packard" auf die Haube schrieb. Mehr als genug Buchstaben für den Schriftzug waren angesichts der katastrophalen Verkäufe sicher vorhanden...l
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