![](http://up.picr.de/8940705jkt.gif)
:weihnachten:
Liebe Gemeinde,
in den nächsten Tagen wird es kleinere Türchen geben. Euer Adventskalenderfredredaktor bekommt nämlich ein völlig neues Büro und hat nur beschränkt zugng zu PC und Internet . Er wird sich aber weiterhin alle Mühe geben, Euch interessante Themen vorzustellen...
Die beiden Autos, die er Euch heute vorstellen möchte, sind Prototypen. Beides sind Einzelstücke, die nicht in Serie gingen (obwohl die Möglichkeit ernsthaft erwogen wurde) und beide sind in mehrfacher Hinsicht aussergewöhnlich:
Der eine ist ein Reihen-Zwölfzylinder, der andere hat bewusst ein Design, das ihn nicht mit dem Hersteller in Verbindung bringt. Er ist auch der einzige, den die Marke jemals mit Frontantrieb gebaut hat und es ist ein V12. Wäre er in Serie gegangen, wäre er mit seinen 445,5 ci der mit Abstand größte Fronttriebler der Vorkriegszeit geworden und hätte selbst den Hubraum des 66er Olds Toronado übertroffen.
Hätte, wäre, könnte...
Doch der Reihe nach. Die Marke ist Packard, und das Jahr war 1929. Es war im Hause bekannt, dass verschiedene Mitbewerber an V12 und sogar V16 arbeiteten: Cadillac, Lincoln, Marmon, Peerless, Pierce-Arrow. Selbst Packards riesige 384 ci Reihenachter, die mit ihrem seidenweichen Lauf Masstäbe setzten (siebenfach gelagerte Kurbelwellen) genügten nicht mehr.
![](http://up.picr.de/23945168nu.jpg)
Über den Straight 12 ist sehr wenig bekannt. Es ist anzunehmen, dass ein Block gegossen wurde, in denen vorhandene Zylinder passten, also entweder vom Eight 320 ci oder Custom/Deluxe Eight 384 ci. Das hätte einen Hubraum von etwa 480 oder 580 ci ergeben. Die Leistung soll bei 150 HP gelegen haben, etwa 30 mehr als der 384 ci Straight 8 hergab.
![](http://up.picr.de/23945167fj.jpg)
Als Basis für den Versuchsträger diente ein 745 Deluxe Eight Dietrich Victoria Convertible Coupe. Die größte technische Herausforderung dürfte die Kühlung der hinteren Zylinder gewesen sein; das war selbst beim R8 oft ein Problem. Der Motor war natürlich deutlich länger. Das führte dazu, dass das Passagierabteil deutlich zurückversetzt werden musste, was etliche Anpassungen, v.a. an der Lenkung, nach sich zog. Der meiste Platz ging im Innenraum verloren: Im ursprünglich komfortabel fünfsitzigen Cabrio ging vor allem hinten so viel Knieraum verloren, dass diese Sitze nur noch für Kinder zumutbar waren. Die Motorhaube war immerhin etwa 30 cm länger als beim 745. Die Farbkombination war gewagt: orange mit silbernen Kotflügeln und Akzenten. Speichenräder, Lüftungsklappen und Heckgepäckträger waren verchromt.
![](http://up.picr.de/23944286ku.jpg)
![](http://up.picr.de/23944287ah.jpg)
Anfang 1929 waren die Versuche abgeschlossen. Offenbar funktionierte der Wagen gut genug, dass man ihn Warren Packard anvertraute. Er war der Sohn eines der Firmengründer und trat lange nach deren Rückzug in das Unternehmen ein, wo er eine Position in der Verkaufsabteilung innehatte. Er fuhr das Auto, das eine Frau das „Osterei“ nannte, über ein halbes Jahr als Familienwagen, unter anderem für einen 2000 km Trip nach Quebec. Warren Packard kam im August 1929 bei einem Flugzeugabsturz auf ener Dienstreise ums Leben. Das Werk nahm den Straight 12 danach zurück. Gerüchte wollen wissen, dass der Motor ausgebaut und zerstört wurde. Es wurde wieder ein R8 eingebaut, möglicherweise der 130 HP eines 734 Speedster. Dann sei der Wagen nach Mexiko verkauft worden.
![](http://up.picr.de/23944285rc.jpg)
![](http://up.picr.de/23945170ac.jpg)
Zum Vergleich: Packard 745 Waterhouse Victoria Convertible
Der andere Packard war technisch innovativer aber weniger spektakulär. Er entstand nach dem Straight 12. Der Frontantrieb wurde auf die übliche Weise erreicht: Der Motor wurde um 180° gedreht eingebaut. Nicht üblich war, dass das Getriebe nicht am Motor verblockt blieb, wie etwa am Cord oder Ruxton, sondern in Transaxle-Bauweise an der Hinterachse sitzt. Für das Projekt holte Packard führende FWD-Experten, insbesondere Crnelius Van Ranst, der schon den Cord L-29 in wesentlichen Teilen konstruiert hatte. Verwendet wurde ein Chassis 745 wie beim Straight 12. Es musste wenig geändert werden.
![](http://up.picr.de/23945163ii.jpg)
Der V12 war solides Packard-Engineering. Das Unternehmen hatte damit Erfahrung seit 1912 (Liberty-Flugmotor, massgeblich von Packard-Chefingenieur Jesse Vincent entworfen) und hatte den ersten V12 -Serienwagen der Welt gebaut. Der Twin Six wurde 1915-1923 gebaut und vom Eight abgelöst. Für den FWD V12 stand eine vollständige Neuentwicklung an. Der Motor war seitengesteuert mit einem Gabelwinkel von 67°. Der Hubraum war 445,5 c.i. - ein mächtiger Brocken. Er leistete 160 PS bei 3200 U/min bei einem Drehmoment von 434 Nm. bei 1400 U/min. Die Verdichtung ist 6 : 1. Das manuelle Dreiganggetriebe hatte einen synchronisierten 2. und 3. Gang. Allerdings war ies die zweite Version, eine erste, kleinere hatte sich als nicht kräftig genug erwiesen.
![](http://up.picr.de/23945158aj.jpg)
![](http://up.picr.de/23945159gr.jpg)
Der Aufbau wurde bei einem anderen als den bei Packard üblichen Karossiers angefertigt: Hayes in Rapid Springs MI. Chefdesigner war Graf Alexis de Sakhnoffsky, der um diese Zeit am neuen DeVaux arbeitete.
Der FWD V12 hatte zwei Probleme: Er war antriebsseitig sehr komplex (was schon zu Verzögerungen in der Entwicklung geführt hatte) und das Management hatte zunehmend Zweifel, ob die konservative Kundschaft neumodisches Zeugs wie FWD akzeptieren würde. Also zog man die Notbremse.
![](http://up.picr.de/23945160ks.jpg)
![](http://up.picr.de/23945161bc.jpg)
Am 23. Juni 1931 wurde Packards neue, neunte Serie vorgestellt. Wenigstens teilweise: Standard Eight 901 und 902, Eight Deluxe 903 und 904 sowie Individual Custom Eight 904 standen bei den Händlern bereit.
![](http://up.picr.de/23945162mk.jpg)
Einen unerwarteten und gleich doppelten Nachschlag gab es am 6. Januar 1932. Packard schob mit dem Light Eight 900 eine preiswertere, in der herrschenden Wirtschaftskrise dringend notwendige Reihe nach. Und den Twin Six 905 und 906 sowie Individual Twin Six 906. Der Motor war praktisch identisch mit dem des FWD V12. Er trieb die Hinterräder an. Und er sah wie ein Packard aus. Zoll für Zoll.
![](http://up.picr.de/23945189ii.jpg)
![](http://up.picr.de/23945190ww.jpg)
Zum Vergleich: Packard 906 Dietrich Convertibe Sedan
Dass der FWD V12 noch existiert, ist ein kleines Wunder. 1935 war angeordnet worden, dass er abgebrochen werden sollte. Warum das unterblieb, ist nicht geklärt.
Der Wagen befand sich danach immer in Privatbesitz. Er gehörte lange zur Harrah-Kollektion in Reno NV.
Quellen:
The Old Car (Packard Straight 12)
Conceptcarz (Packard FWD V12, 745, 906)
![](http://up.picr.de/23945157sx.jpg)