Liebe Gemeinde
wie jedes Jahr öffnet sich auch in diesem Adventskalenderfred ein Türchen für die traditionelle Vorstellung einer europäischen Marke.
Naja Marke ist etwas zu viel gesagt. Die Geschichte der über 100 Jahre alten Herstellerfirma ist sehr komplex und international verschachtelt. Sie war Rüstungshersteller, Flugzeugmotorenpionier und – natürlich Automobilhersteller. Und das gleich mehrfach, mit zwei Werken in Spanien und einem in Frankreich, das sich selbständig machte aber gleich hieß.
Wie geschrieben: Es ist kompliziert. Euer Adventskalenderfredredaktor hat sich die eine Baureihe herausgegriffen, mit der die Marke am ehesten in Verbindung gebracht wird und stellt Euch einige besonders schöne Exemplare vor. Es gibt mehrere Versionen. Schrob ich schon, dass es kompliziert ist?
Bestimmt habt Ihr längst gemerkt, dass es um Hispano-Suiza geht. Die Marke wurde 1904 gegründet. Chefingenieur und Teilhaber war der Schweizer Konstrukteur Marc Birkigt aus Genf. Das Unternehmen genoss königlich-spanische Protektion. Seine Majestät König Alfons XIII dachte nämlich, dass sein Land eine eigene Motorfahrzeugproduktion benötigte und geruhte, als passionierter Automobilist der wohl beste Privatkunde der Sociedad Hispano Suiza, Fabrica de Automóviles in Barcelona zu werden. 1911 wurde in Frankreich ein Zweigwerk eingerichtet und kurz darauf in Bois-Colombes bei Paris ein Werk für Flugzeugmotoren eröffnet, in dem später das meistgebaute Flugzeugtriebwerk der Entente im WW1 produziert wurde: Der Hispano-Suiza 8, ein Königswellen-OHC-V8, aufgebaut aus zwei HS-PKW-Motoren. Euer Adventskalenderfredredaktor ist kein Techniker oder Mechaniker. Er ist dankbar, wenn mögliche Irrtümer
aufgegriffen und richtiggestellt werden.
Flugzeugmotor Hispano-Suiza 8
Nach dem Krieg wurden weniger Motoren und Maschinengewehre benötigt. Da traf es sich gut, dass 1919 in Barcelona der neue Tipo 41 vorgestellt werden konnte, dessen Produktion weitgehend nach Frankreich ausgelagert werden sollte. In Barcelona wurden weiterhin die kleineren Modelle und Nutzfahrzeuge gebaut, die sich dort besser absetzen ließen.
In Frankreich kam der Wagen als H6 auf den Markt. Birkigt hatte ihn mit dem Anspruch gebaut, das beste Auto der Welt anzubieten und es gibt viele Experten und Kenner, die dem zustimmen würden.
In der ersten Version hat der H.6, der nach wenigen Monaten ohne ersichtlichen Grund H.6B genannt wurde – beide sind identisch – einen Sechszylindermotor von 6,6 Liter Hubraum. Birkigt hatte anfangs eine Version des H.S. 12 V12-Flugzeugmotors vorgesehen, doch es zeigte, sich, das das Auto auch so überragende Fahrleistungen aufwies. Mit 135 PS bei 2600/min war der H.6 eines der stärksten Autos seiner Zeit. Der Motor hat OHC-Ventiltrieb mit Königswellen, Doppelzündung, einen weitgehend mit schwarzem Email überzogenen Aluminiumblock, Leichtmetallkolben und eingeschraubte Zylinderlaufbuchsen. Angeblich ist er nicht so leise wie Silver Ghost aber kräftiger mit einen Sound, der an an einen Ami-V8 erinnert aber mit dezentem Flugzeug-Unterton...
Diese Konstruktionsweise wurde ebenso vom Flugzeugmotor übernommen wie der Ventiltrieb. Es handelt sich um eine an den Sechszylindermotor und die Anforderungen des Straßenverkehrs angepasste Königswellen-OHC-Ventilsteuerung, bei der eine vertikale Welle am vorderen Ende des Motors die dreifach gelagerte Nockenwelle betätigt, die ihrerseits direkt mit den Ventilschäften verbunden ist. Die Königwelle treibt außerdem die Öl- und die Wasserpumpe sowie die beiden getrennten Zündverteiler an. Der abnehmbare Aluminium-Zylinderkopfdeckel dichtet den Motor ohne Zylinderkopfdichtung ab.
Die Motorschmierung erfolgt über die unten im Motor befestigte Ölpumpe. Kurbelwelle, Nockenwelle und Pleuelstangen sind hohl geformt, die Kanäle dienen der Schmierung. Die Ölpumpe bedient die Kurbelwellen-Hauptlager sowie die Nockenwellen- und die Pleuellager.
Der elektrische Anlasser befindet sich auf der linken Seite des Getriebegehäuses. Birkigt verzichtete auf die noch verbreitete Magnetzündung und sah stattdessen eine Batteriezündung vor. Der Generator ist in einem zylindrischen Gehäuse untergebracht. Er ist eine Spezialanfertigung von Delco. Weil er direkt von der Kurbelwelle angetrieben wird[7] befindet er sich an leicht zugänglicher Stelle direkt unter dem Kühler. Im H.6 werden zwei Batterien verwendet. Die größere ist für die Zündung, zum Anlassen und für die Fahrzeugbeleuchtung vorgesehen. Die zweite ist nur dafür vorgesehen, das Fahrzeug bei einer elektrischen Störung fahrbar zu halten. Sie kann nur den Anlasser und die seitliche Beleuchtung mit Strom versorgen. Beide Batterien werden vom gleichen Generator versorgt.
Die Motorkühlung erfolgt durch einen Wasserkreislauf mit Wasserpumpe, Wabenkühler und zusätzlich einem von der Kurbelwelle angetriebenen Ventilator.
Den Doppelvergaser sitzt auf der rechten Motorseite. Hispano-Suiza ließ ihn bei Solex nach eigenen Plänen fertigen.[9] Er hat eine zentrale Schwimmerkammer. Die Starterklappe kann mit einem Schalter am Lenkrad verstellt werden, und unter dem Armaturenbrett gibt es eine kleine Handpumpe, mit der bei Bedarf Benzingemisch nachgesprüht werden kann um den Startvorgang zu erleichtern.
Der Motorblock und der Zylinderkopfdeckel sind weitgehend mit schwarzem Email überzogen, die blanken Metallteile sind poliert. Der Motor des H.6 wiegt wiegt, inklusive Accessoires, rund 200 kg.
Das Werk machte keine Angaben zur tatsächlichen Leistung des Motors. Üblicherweise werden 135 PS (99,4 kW) bei 2600/min vermerkt. Der Motor dreht bis 3500/min. Für ein frühes Fahrzeug liegt ein maximales Drehmoment von 441 Nm bei 1600/min vor; für ein jüngeres werden mit 475 Nm bei 1600/min genannt.
In Frankreich wurde der Motor auf 32 CV nach damaliger Berechnungsmethode taxiert, im Vereinigten Königreich und den USA (wo die gleiche Messmethode angewendet wurde) betrug sie 37,2 HP.
Ein sehr typischer H.6B: 1927 Binder Coupé Chauffeur der Schauspielerin Lolita Amour
Motor und Getriebe sind miteinander verblockt; eine zu dieser Zeit innovative Lösung. Auch das Getriebegehäuse besteht aus Aluminium. Es enthält das Dreiganggetriebe mit Rückwärtsgang, die Schwungscheibe und eine Mehrscheibenkupplung. Eine Neuerung bestand im Wellenantrieb. Frühere Hispano-Suiza erhielten einteilige Kardanwellen mit Kreuzgelenken an beiden Enden. Für den H.6 wurde ein anderer Weg gewählt. Die hintere Starrachse ist ähnlich einer De-Dion-Achse ausgebildet. Achse und Blattfedern tragen nur das Fahrzeuggewicht, nehmen aber keine Beschleunigungs- und Bremskräfte auf. Die Kraft wird über Gelenkwellen vom Differential zu den Rädern gebracht. Diese Halbwellen sind demnach "full floating", also von Querkräften befreit. Dies erfordert auch eine andere Lösung für die Kraftübertragung vom Motor zur Hinterachse. Beim H.6 gibt es dazu zwei Antriebswellen hintereinander. Die vordere ist als Kardanwelle ausgebildet und führt vom Getriebe zu einer Aufnahme am Fahrgestell-Hauptquerträger. Dort ist auch die hintere Welle an einem Schubkugelenk angeflanscht. Sie wird in einem Torque Tube genannten Rohr zur Hinterachse geführt.
1924 Hispano-Suiza H.6B Million-Guiet Dual-Cowl Phaeton
Das Fahrgestell besteht aus einem Leiterrahmen, dessen Hauptträger als U-Profil geformt sind. Analog der markentypischen Praxis hat auch der Motor des H.6 eine Vierpunkt-Befestigung am Fahrgestell, was auch zur Versteifung des Rahmens beiträgt. Die erwähnte Antriebskonstruktion mit einer zweigeteilten Antriebswelle erfordert einen besonders massiven Hauptquerträger, an dem auch die Aufnahme der beiden Wellen angebracht ist.
Eine weitere Besonderheit ist das Armaturenbrett, das zugleich den Motorraum vom Passagierraum trennt. Es besteht aus einem Verbund von Aluminiumblech, Asbest und Wolle. Unten gibt es eine luftdichte Abdichtung, die auch die Öffungen für die Lenksäule und die Motorbedienung umfasst. So soll verhindert werden, dass Abwärme vom Motor in den Innenraum gelangt.
Die Vierrad-Servobremsanlage war eine Eigenentwicklung, die auch Rolls-Royce in Lizenz übernahm, wo sie eine verbesserte Version noch bis zur Einstellung des Rolls-Royce Silver Cloud III in den 1960er Jahren verwendet wurde.
1923 regte Birkigt die Abtrennung und Verselbständigung der französischen Niederlassung an. Es kam zu einer einvernehmlichen Lösung mit einer Minderheitsbeteiligung Mateus an der Société Française Hispano Suiza in Bois-Colombes; bisherige Modelle wurden weiterhin aus spanischer und französischer Produktion angeboten. Dies betraf insbesondere den H.6, von dem in Barcelona kleinere Versionen abgeleitet wurden.
Als die Produktion in Frankreich ausgelastet war, half die Sociedad Hispano Suiza mit der Lieferung von Bestandteilen und Komponenten aus.[4] 1923 wurde eine Achtliter-Version des Motors für Rennzwecke eingeführt. Dieser Motor wurde ab 1924 regulär eingeführt und parallel zum bisherigen 6,6 Liter als H.6C angeboten. Die Produktion der H.6-Baureihe endete offiziell 1933; der H.6B war schon 1932 eingestellt worden. Es scheint, dass die spanische Variante Tipo 56 auf Wunsch noch bis 1936 erhältlich war.
1926 wurde der Motor überarbeitet. Er erhielt nasse Zylinderlaufbuchsen, eine schärfere Nockenwelle und eine elektrische Benzinpumpe. Jährlich wurden etwa 200 H.6 gebaut, in einer ähnlichen Ausführung wurde er in Barcelona als T.41 produziert. Bei Škoda wurden, je nach Quelle, 50, 100 oder 101 Fahrzeuge unter der Bezeichnung Škoda Hispano Suiza 25/100 PS gebaut. In England hieß er 37,2 h.p.. Ein H.6 kostete damals rund 60.000 Reichsmark.
Der tschechische Industriekonzern Škoda erwarb eine Lizenz zum Nachbau des H.6B wurde. Das Fahrzeug wurde zwischen 1926 und 1929 in kleiner Stückzahl gebaut. Die Gesamtproduktion wird auf 50 bis 100 Exemplare geschätzt. Der 25/100 PS entsprach weitgehend dem französischen Vorbild. Die Verdichtung und damit die Leistung wurden herabgesetzt um dem oft schlechteren Treibstoff Rechnung zu tragen. Einer der ersten Wagen wurde im Mai 1926 an die tschechoslowakische Regierung ausgeliefert. Es diente bis Mitte der 1930er Jahre als Dienstwagen für Präsident Tomáš Garrigue Masaryk.